Dienstag, 29. November 2011

26.10.2011 (Mittwoch), über den 25.10.2011 (Dienstag)


Oha, oha, oha.
Grade eben habe ich eine Rundmail einer Freundin gelesen, die für ein Jahr in Peru ist. Ich weiß nicht, ob ich das vielleicht nicht hätte tun sollen.
Eine neue Kultur, die WIRKLICH ganz anders ist, als die deutsche. Viele neue Eindrücke, Menschen, Erlebnisse, eine tolle Natur.

Nun, aber erst noch über den Dienstag:
Bei der wöchentlichen Austauschrunde erfuhren wir, dass wir am 2. und 4. Wochenende im November an zwei Animateurtreffen teilnehmen würden. Es gab eine kleine, unnötige Diskussion, an welchen Daten diese Wochenenden denn dann liegen würden. Nach einem intensiven Blick in einen Kalender war das Thema dann vom Tisch.
Tisch. Ein gutes Thema.
Dort saßen wir bei der Zeitung, und tüteten wie immer die 1000 Zeitschriften ein. Wie langsam die Zeit verging! Der Stapel wollte einfach nicht kleiner werden, während unsere Finger immer mehr schmerzten und sich immer dunkler von der Druckerschwärze färbten. Vielleicht lag das daran, dass wir schon länger nicht mehr dort gewesen waren und wir die Arbeit schlicht nicht mehr gewohnt waren.
Nach Feierabend nutzte ich das freie WI-FI-Netz eines Restaurants zum Surfen. Um dort nicht schief angeguckt zu werden, bestellte ich mir einen Saison-Salat. Vor Augen hatte ich einen wunderbaren Salat. Oliven. Große Salatblätter. Käse. Tomaten. Gurken. Schafskäse. Rucola. Tolle Gewürze.
Auf meinem Tisch standen dann Tomaten und Gurken. Jeweils circa 5 Scheiben. Auf vier Stellen des Tellers war Schnittlauch gestreut worden. Gewürze, Öl und Essig musste man selber hinzufügen. Das erklärte dann den Preis von umgerechnet einem Euro fünfzig.
Nachdem Lotte in ihren Taschen noch gerade genug Geld für eine Fahrt mit dem Linienbus auftreiben konnte, ich den Weg zur Tram wegen Geldmangels zu Fuß zurücklegen musste und dies in einer erstaunlichen Zeit schaffte, kamen wir gleichzeitig, und nur um gute drei Minuten verspätet, am Abend in Stub an.
Es ging los. Während sich Lotte und Monika (die uns unterstützende Bosnierin) mit der kleinen Gruppe beschäftigten, besprach ich mit der großen Gruppe zunächst die Hausaufgaben (es war kein großes Interesse zu verzeichnen), bevor die Zeit für meine bemalten Zettel gekommen war. Zu ihnen fiel den Kindern / Jugendlichen die erwünschten Verben ein und das Sätzebilden klappte auch ganz gut.
Es ist echt ungemein schwierig als praktisch unerfahrene „Kursleiterin“ vor circa 30 jungen Leuten zu stehen, ihre Freude an deutschen unregelmäßigen Verben und komplizierten Artikeln zu wecken, während das eigene Handy oder das andere Geschlecht praktisch uneinholbares Interesse hervorruft. Aber gleichzeitig macht es mir dann doch auch Spaß. Es immer ein interessanter Moment, wenn ein Jugendlicher dort bemerkt, dass 45-minütiges Mitmachen keinesfalls die eigene Coolheit mindert und dass die Spiele der deutschen Lena auch mal Spaß machen können.
Den Rückweg traten wir dann mit Monika an. Gemeinsam warteten wir auf die Straßenbahn und stiegen, obwohl wir nicht in ihre Richtung fahren mussten, auch zusammen ein.
Denn Monika hatte uns zu sich nach Hause eingeladen. Klar, warum nicht? Total nett von ihr!
All das, was ich in der Dunkelheit von ihrem Wohnviertel erkennen konnte, sah schön aus. Da ich kein großer Fan von Dunkelheit bin, war ich froh, an ihrem Haus anzukommen. Ihr sehr großer Hund kam bellend angelaufen. Trotz seiner Größe und Aussehens ein echt lieber!
Wir saßen dann im Wohnzimmer und unterhielten uns über alles Mögliche. Wie lustig es war! Bald kam auch Monikas Schwester dazu. Auch sehr nett! Für ein Jahr war sie in Hardehausen gewesen und kann so noch gut Deutsch. Im Moment bereitet sie sich auf einen wichtigen Deutschtest vor, der ihr ermöglichen wird, in Wien zu studieren. Ich werde ihr die Daumen drücken! (Das Übungsbuch ist ziemlich krass!)

24.10.2011


Frei, frei, frei!
Diesen Tag musste ich nutzen, um Familie Mujo zu besuchen! Da am vorigen Tag die geschlossenen Einkaufsläden mir ihr Babyklamottensortiment leider nicht zur Verfügung gestellt hatten, machte ich mich noch einmal auf den Weg. Es sollte etwas kleines werden; eine Mütze oder Handschuhe.
Als ich heute Morgen fertig war, machte ich mich also auf den Weg durch unsere Straße. Als weiteres kleines Mitbringsel hätte ich ein paar Fotos toll gefunden; ein paar Schnappschüsse des Tages, als Mama und ich sie besucht hatten. Perfekt vorbereitet, mit den Fotos auf meinem Stick, kam ich in den Fotoladen neben unserem Hauseingang.
Der Mann erkannte mich, und musste mir dann traurig sagen, dass ich erst um 13 Uhr wiederkommen könne, da er gerade einen großen Auftrag bearbeiten musste. Das hörte und sah ich dann an der laut rappelnden Fotodruck-Maschine. Schade, dass ich keine Fotos mitnehmen konnte, aber da war wohl nichts zu machen.
Da bei der letzten Begegnung mit Mujos Familie die Kommunikation, aufgrund von sich nicht überschneidenden Sprachkenntnissen eher umständlich abgelaufen war, war ich trotz einer Vermutung nicht sicher, ob sie im Februar ein Mädchen bekommen hatte.
So hatte ich mich entschlossen, etwas universales, eher etwas jungenhaftes, zu kaufen. Die könnte ein Mädchen ja auch tragen; andersherum wäre das schon schwieriger.
Zum Glück sprach die Verkäuferin gut Englisch. So konnte ich ihr erklären, was ich suchte, was nicht und vor allem, wie alt das Kind ist.
Und da im Regal hing das perfekt Stück: eine blau-grün gestreifte Mütze. Zwar nicht allzu günstig für eine Babymütze, aber es war mit das Nützlichste und Kleinste im Laden gewesen. Nur leider erstickte die Verkäuferin dann all meine Freude im Keim: Die Mütze sei zu klein für ein Kind von circa acht Monaten. So suchte ich dann weiter, und entschied mich dann für ein schlichtes blaues Sweatshirt-artiges Oberteil. Weiter ging es dann im Supermarkt weiter unten an der Straße, wo ich noch zwei Breigläser und Bonbons kaufte. Und schon konnte es zur Bushaltestelle gehen.
Sehr bald klopfte ich an die (wir mir auffiel neue) Tür von Mujos Haus. Letzterer öffnete mir auch. Und sein Gesicht verzog sich zu einem breiten Lächeln. Er sagte Etwas auf Kroatisch zu mir, ich verstand es leider nicht, erahnte aber, dass er mir klar machen wollte, dass nur er zu Hause sei.
Gerade als ich die Schuhe abgestreift hatte, kam seine zweite Tochter um die Ecke. Man könnte meinen, das Grinsen liegt in der Familie, denn auch sie lächelte breit als sie mich sah und umarmte mich beherzt!
Im warmen Wohnzimmer begann dann eine einfache Unterhaltung. Ich versuchte möglichst viel Kroatisch / Bosnisch anzuwenden. Und das schien sie echt zu freuen! Wahrscheinlich waren sie zudem vom Kontrast zwischen meinen damaligen „Kroatischkenntnissen“ und meinen jetzigen minimalen Grundkenntnissen überrascht.
Sie brühten mir einen Tee auf, erzählten mir über ihre Nichte / Enkelin (meine Vermutung war dann doch richtig gewesen) und zeigten mir viele Fotos (echt sehr süß das Baby!!!). So erfuhr ich, dass die Kleine an diesem Tag nicht zu Hause war, und meine herausgehört zu haben, dass sie bei ihrem Vater war. 8 Monate ist sie nun alt!
Der erste Sohn der Familie kam auch dazu. Er ließ sich aufs Sofa fallen, grinste mich an und schaute dann Fernsehen.
Als mir dann einfach nichts mehr einfiel, was ich mit den Dreien reden könnte, war es ein wenig still um den Wohnzimmertisch. Ich schlürfte meinen Tee und bestaunte die Wallnüsse, die mir Mujos Tochter in meiner Plastiktüte geschenkt hatte. Ebenfalls schenkte sie mir ein Foto ihrer Nichte. Mensch, ich fand das war eine tolle Geste!
Als ich ungefähr eine Dreiviertelstunde da gewesen war, sagte ich, dass ich mich auf den Heimweg machen würde. Ich schlüpfte grade in meine Treter, als die Mutter der Familie hereinkam. Wow, wie schön es war, sie zu sehen. Mit ihr unterhielt ich mich auch kurz und versuchte ihr zu erklären, warum und wie lange ich hier bin, dass meine Eltern in Deutschland sind und dass ich sie zu Weihnachten wiedersehe. Beim Abschied herzte sie mich dann sehr, und sagte „Vidimo se sutra!“. Nun, ich weiß nicht, ob sie verstanden haben, dass wir uns am nächsten Tag nicht sehen würden (da war ihre Enkelin wieder da), aber es war echt toll, sie lachen zu sehen. Ich bekräftigte „Vidimo se!“ und machte mich dann auf zur Bushaltestelle.
Was war dort angesagt? Ja, genau. Warten.
Nach einer Kleinbusfahrt an der Hauptbushaltestelle angekommen, begann dann das extreme Warten.
Total hungrig kam ich in Sarajevo an. Diesem Gefühl ging ich nach, stillte es und erfreute mich dann an den Stufen hoch zur kath. Schule, denn viele kroatische Verben, Substantive, Konjugationen, Deklinationen und unsere Lehrerin warteten auf mich / uns.
Der Tag kam mir irgendwie komisch. Kein richtiger Alltag, und trotzdem sehr stressig. Ich fühlte mich auf eine Art nicht vollkommen. Abends bereitete ich noch den Deutschkurs für den nächsten Tag vor; malte kleine Bilder, zu denen den Kindern dann ein Verb einfallen sollte. Und es stand noch so viel an ich hätte noch so viel machen können. Aber ich schaffte es einfach nicht; die Woche ist teilweise einfach so, so, so voll und ich komme nur zu wenig.

23.10.2011


Wie viel österreichischer Flair in Sarajevo steckt, das wurde uns noch einmal an diesem Sonntag bewusst.
Das Café, parallel zur Hauptbummelstraße Sarajevos gelegen, hätte auch zwei Straßen hinter der Wienerischen Karlskirche zu finden sein koennen: viele Verzierungen, Teppiche, antike Möbel, gemütliche Sessel. In denen versanken wir praktisch und wurden wir  mit warmem Kakao  und heißem Kaffee verwöhnt. Bei den wohltuenden Getränken quatschten Lotte und ich mit Herrn Wacker und Clemens Reit, die uns in das traditionelle Café einluden.
Am vergangenen Samstag für diesen Tag verabredet,  wollten wir die letzten Stunden ihres Aufenthaltes hier zusammen verbringen und über die jetzige Situation, unseren Alltag, unsere bisherigen Erfahrungen und einiges mehr reden. So habe ich die Zeit noch einmal reflektiert. Mir ist aufgefallen, dass ich selber relativ wenig über all das nachgedacht habe und mir Gedanken gemacht habe. Tat gut mal wieder andere Meinungen zu hören, sich auszutauschen und einfach zu reden.
Nach circa zwei Stunden stand dann der Abschied an, und bald waren Lotte und ich wieder alleine durch die Straßen der bosnischen Hauptstadt unterwegs.
Wieder in Dobrinja angekommen, stiegen Lotte und ich zusammen die Stufen zu unserer Wohnung hoch; ich kurz darauf wieder herunter, um Babyanziehsachen für Mujos Familie zu kaufen, dich ich morgen endlich mal besuchen will (eine Familie, die ich letztes Jahr im Camp kennenlernte. Mit meiner Baugruppe war ich bei ihnen gewesen und wir hatten ihre, man kann sagen Hütte, renoviert. Anfang dieses Jahres besuchte ich sie mit Mama bei unserem Kurzurlaub und wir fanden heraus, dass die älteste Tochter schwanger war).

22.10.2011


Um 13:30 Uhr ging es los.
Nur leider schaffte ich es nicht rechtzeitig, da ich ein Geschenk für meine Oma definitiv noch zu Ende basteln musste.
Bald war alles geschafft, und ich konnte mich mit einem sehr guten Gefühl auf zum Jugendhaus machen. Das wurde aber auch Zeit, denn es war schon kurz nach halb vier.
Denn dort an der Baustelle wurde an diesem Tag der Grundstein für das neue Jugendhaus gelegt. Es würde ein richtiges Fest werden, denn die Menschen hatten so lange auf diesen Tag gewartet. Über zehn Jahre!
Als ich ankam bemerkte ich, dass auch Herr Wacker gerade angekommen war. Er betrat die Baustelle gerade und begrüßte die ersten Leute. So auch Lotte, zu der ich unterwegs war. Auf dem Weg dahin packte Ivana Klacar (eine Mitarbeiterin des Jugendhauses) mich, denn ich sollte während der Messe ein Buch zum Kardinal bringen. Alles klar, mache ich, nema problema! Dann war ich auch schon bei Lotte und begrüßte Herrn Wacker mit einer Umarmung. Es war echt toll ihn zu sehen!
Dann ging auch bald die Messe los, von der ich unglaublich viel verstand. Nein. Nur Sachen, wie z.B. die Wandlung und die Abschlussworte. Den Weg zum Kardinal mit dem Buch in meinen Händen meisterte ich ohne Zwischenfälle. Genauso, wie das Überreichen und das Zurückgehen zu meinen Platz. Ivana zeigte mir mit ihrem Daumen, dass ich meine Aufgabe meisterhaft erledigt hatte. Sie ist so verrückt ;-)
Mit Herrn Wacker und seinem Begleiter Clemens Reit verabredeten wir uns für den kommenden Tag auf einen Kaffee.

21.10.2011


Zunächst waren im Spielzimmer der Mjedenica, kurz nachdem ich ankam, wie immer nur wenige Kinder; nach und nach füllte sich der Raum, und parallel gab es immer mehr zu tun. Mariana kramte vom Schrank einen Luftballon herunter, und so spielte ich mit einem Jungen und einem Mädchen Fußball mit Betonung aufs Köpfen. Ein anderes Mädchen wollte, dass ich ihr wieder das Knie kitzelte (dieses Kitzeln mit den Fingerspitzen auf dem Knie). Ein autistischer Junge kam zu mir gelaufen, umarmte mich und küsste mich circa eine Minute in den Nacken. Ein anderer Junge sagte oft meinen Namen, seit er ihn vom Fußballspielen her wusste. Marijana frage, ob wir uns morgen sehen würden und erzählte, dass auch die Schule Mjedenica Sachen verkaufen wird. Und deshalb fing ich dann an, Postkarten und Lesezeichen zu basteln. Dafür konnte ich Mandalas und bunte Bilder der Kinder benutzen. Und ich gab mir echt Mühe: Überlegte, wie ich die Bilder benutzen kann, wie ich sie zerschneiden kann, damit sie am besten wirken und bestmöglich aufgeteilt werden. Die Resultate beeindruckten Mariana. Zunächst war sie recht skeptisch, weil ich es kompliziert machte und ziemlich lang für das erste Werk brauchte. Ihre Einstellung änderte sich bald und es schien, dass wie echt froh war, denn für solche Sachen hat sie natürlich kaum Zeit, und wenn, dann nicht viel.
Bald füllte sich der Tisch, die Kinder kamen zwischendurch oft vorbei, es wurden immer mehr Schnipsel und Abfälle.
Nach dem Mittagessen startete Mariana in der Sporthalle ihr Volleyballprogramm; ich blieb mit ein paar Kleinen zurück. Ein autistischer Junge war auch dabei. Er lief immer zum Fernseher, den ein Mädchen gerade eingeschaltet hatte, machte ihn aus, oder zog gleich die Stecker heraus. Das versuchte ich dann immer zu unterbinden. Und es klappte natürlich nicht. Der Junge ist sehr eigenwillig, und selbst wenn er mich verstehen würde, würde er wahrscheinlich nicht auf mich hören. So rief ich immer „Ne!“ (das bosnische Wort für „nein“), nahm in an der Hand und zerrte ihn weg zur Couch oder zur Spielecke; was ich mir auch hätte sparen können. Natürlich rannte er dann sofort wieder los.
Nach und nach kamen die anderen dann wieder. So wurde es für mich ein wenig entspannter, da Mariana ja auch wieder anwesend war.
Sie bestaunte noch öfter meine Karten, wir fingen an aufzuräumen und bald war es dann Zeit zu gehen.

20.10.2011

Heute Morgen hieß es für Lotte und mich wieder „getrennt aufstehen“ (denn Lotte fängt donnerstags und freitags ja immer eher an zu arbeiten). Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, gegen sieben Uhr aufzustehen und dann joggen zu gehen. Ich hatte es mir vorgenommen. Das mit dem umsetzen habe ich nicht richtig hinbekommen.
Dafür profitierte unsere Wohnung dann von meiner Müdigkeit. Denn der Esstisch wurde abgeräumt und ordentlich gesäubert. Das Waschbecken wurde geschrubbt. Die gewaschenen Kleider zusammengelegt. Meine Sachen im Schlafzimmer aufgeräumt.
Dazu raffte ich mich endlich dazu auf, einige Postkarten zu schreiben.
Gegen halb 11 machte ich mich dann auf den Weg zur Behindertenschule. Unterwegs erfuhr ich, dass Lotte nicht im Raum sei, sondern mit einer deutschsprechenden Betreuerin in einem Töpferraum.
Und so war es dann auch. Im Raum war ich dann mit Marijana und zwei Kindern allein. Ich spielte mit den Kindern und später trug ich dazu bei, dass die Wand bunt wird. Also Blätter und eine Wolke gebastelt und damit die Wand beklebt.
Zwischendurch kam Lotte mit der Betreuerin rein. Sie scheint echt nett zu sein, und hat Lotte schon angeboten, dass wir etwas mit ihr unternehmen können.
Eine halbe Stunde vor Feierabend gingen wir mit den Kindern in die Stadt. Das hieß: zu einem großen Markt. Im Eingangsbereich verstand ich, warum unser Weg dorthin führte: an einem Stand mit Eierverkauf, saß ein Junge mit Down-Syndrom; neben ihm vermutete ich seine Mutter.
Nahezu die ganze Gruppe schien ihn zu kennen. Auf jeden Fall begrüßten sich alle mit einer „High 5“. Ein schöner Moment!
Während sich Marijana und die Mutter unterhielten, trat ein Kunde an den Stand und kaufte einige Eier. Das bedeutete eine Einnahme, mit der die Mutter zum Kiosk am Eingang rannte und allen eine Tafel Schokolade kaufte. Sehr süß!
Nach dem Verabschieden schlenderten wir über den Markt, bevor es dann wieder hinaus in die Innenstadt ging. Da die Kinder wohl Lust auf sportliche Kleidung hatten, schlenderten wir danach durch ein Sportgeschäft.
Bald waren wir am Berg der Mjedenica angekommen. Dort verabschiedeten wir uns; ich marschierte zur Busstation, griff dort in meine Jackentasche… und fand den Schlüssel zum Zimmer oben in der Behindertenschule (Marijana hatte ihn mir vor unserem Stadtbummel gegeben). Oh nein!
Der Raum war aufgeschlossen, die Gruppe saß auf der Couch, aß Schokolade und wartete auf den Abholdienst.
Alle freuten sich ziemlich, als ich im Türrahmen stand. Mariana entschuldigte sich, dass sie kein Handy dabei hatte.
Dann machte ich mich bald wieder auf den Weg.
Beim Deutschkurs hatten wir vor, Zahlen und einen etwas schwierigeren Zettel durchzunehmen. Das ABC konnten die Kinder ganz gut auswendig.
Bald stand die Gruppeneinteilung an. Lotte fragte, wer von den Kindern schon die Zahlen könne und wer noch nicht. Unsere Wunschvorstellung waren zwei circa gleich große Gruppen. Die Realität: 3 Kinder in Gruppe A. Die anderen in Gruppe B.
Jawoll, ich freute mich. Nicht. Denn nun war es so, als wenn ich praktisch alleine Unterricht machen würde. Aber da musste ich dann wohl durch. Und ich nahm es an. So teilte ich erst den Zettel mit den unterschiedlichen Küchenutensilien aus, die die Kinder zählen sollten. Das hatte keine große Wirkung. Denn sie kannten die Zahlen ja schon, waren nicht wirklich motiviert und hatten gleichzeitig mehr Spaß am Reden und Quatschen. Ich merkte, dass es keinen Sinn machte, mit dem Zettel weiter zu machen.
So teilte ich den zweiten Zettel aus. Er behandelte die Monate, Jahreszeiten und die Kinder mussten kurze Sätze bilden. Ich erklärte kurz die Aufgaben und ließ die Kinder dann beginnen.
Doch kurz darauf stellte ich fest, dass ich eine Aufgabe nicht ausreichend erklärt hatte. Das bedeutete dann, dass dieses dann praktisch jedem Kind erklärt musste. Das war nicht immer einfach, aber irgendwie hat mir das Spaß gemacht. Vor allem, als die Kinder meine englischen Erklärung verstanden haben und auch richtig umsetzten.

19.10.2011


Da unser morgendliches Treffen mit Lucija verschoben worden war, fand es am Mittwoch, den 19.10. stand.
Ich begann über die Zeit mit der Gruppe zu reden. Ich sagte, dass einerseits toll war, neue Leute zu treffen, kennenzulernen, ihnen die Stadt und unsere Arbeit zu zeigen und sich mit ihnen auszutauschen. Andererseits war es komisch, mit so vielen Leuten auf einmal wieder Deutsch zu reden. Außerdem kam ich wieder in das deutsche Leben und Denken hinein; sie alle erinnerten mich so sehr an meine Heimat.
In Egipat war es dann entspannt und schön. Denn heute hatte ich nicht viele Kinder. Zu Beginn einen unglaublich süßen Jungen. Wenn wir zum Beispiel das englische Wort „clap“ lesen, klatscht er immer in die Hände. Er kam irgendwann auf die Idee, mir Kroatisch beibringen zu wollen. Alle englischen Wörter, die wir lernten, sagte er immer noch einmal auf Kroatisch und ich musste sie nachsagen. Er war ziemlich begeistert, wenn ich eines aussprach. Doch langsam wurde es dann anstrengend, denn anscheinend hatte er vergessen, dass ich ihm eigentlich etwas beibringen wollte und so stand ihm der Kopf bald nicht mehr nach Englisch. Doch das musste ja sein. Also überzeugten ich ihn und Englisch wurde fortgesetzt.
Später half Lotte dem großen Bruder des kleinen Jungen. Er ist das Englischtalent! Wie er uns immer wieder beeindruckt mit seinen Kenntnissen.
Aber er ist nicht nur sprachbegabt, er ist auch lernsüchtig. Schon am Montag wollte er unbedingt kleine, von Lotte geschriebene Tests ausfüllen. An diesem Tag bekam er gar nicht genug davon. Nach zweien war noch lange nicht Schluss. „Za kontrola!“ Doch irgendwann war dann Essenszeit. Schwester Anja holte uns und auf dem Flug quatschten wir ein wenig mit ihr. Währenddessen trat ein Mädchen auf den Flur, sah Schwester Anja und es gab kein Halten mehr. Sie stürmte auf sie zu, sprang in ihre Arme und klammerte sich an ihr fest.
Ich fand diesen Moment sehr schön. Wie die beiden einfach strahlten. Wie die Liebe zur anderen Person praktisch aus ihren Augen und Mündern heraussprang. Das Mädchen unterstrich ihre Bindung zu der Nonne und drückte ihr alle paar Sekunden Küsse auf die Wange. Schwester Anja lachte einfach nur. Irgendwie hat mich die Situation bewegt und berührt. Es muss nicht sein, dass das Mädchen und ihre Schwester keine Eltern mehr haben; es ist höchstwahrscheinlich so, dass ihre Familie weit außerhalb Sarajevos lebt  und so nicht für den Schulbesuch ihrer Kinder einstehen kann. Wahrscheinlich sind es liebevolle Eltern.
Aber trotzdem ist es für Ana bestimmt nicht leicht. In einem Heim leben zu müssen. Von der Heimat und der Familie getrennt sein zu müssen. Und Gefühle auszuhalten, die Kinder aus Familien ohne Geldprobleme sich nicht vorstellen können. Und da schien die Nonne ein Anker zu sein. Ich muss sagen, ich hätte als Kind vor einer Nonne in ihrer Kleidung viel Respekt, wahrscheinlich schon eine Art Angst gehabt. Aber heute bei dem Mädchen war das das Gegenteil. Und ich kann nicht genau sagen warum, gar es beschreiben, aber das fand ich schön.
Nach dem Mittagessen ging es dann für Lotte mit dem Jungen weiter. Da er immer noch verrückt nach den Tests war, hieß es für Lotte sich wieder zwei bis drei Aufgaben ausdenken. In der Zeit stapelte er dann immer das große Wörterbuch des Hauses und mein kleines Langenscheidt, nahm sich sein Radiergummi, hielt es in einem bestimmten Winkel zum Tisch und schnipste es dann mit dem Ziel, mein kleines Wörterbuch umfallen zu lassen. Schnell zog er mich mit in das Spiel ein und so versuchte auch ich mein Glück.
Ein einfaches Spiel zum Zeitvertreib. Einfach, aber dafür hatten wir umso mehr Spaß. Was für unglaubliche und lustige Flugbahnen das Radiergummi einschlug.

Montag, 28. November 2011

18.10.2011


Dieser Tag sollte, genau wie der Montag, auch nicht normal ablaufen.
Lucija hatte uns einen Tag vorher gesagt, dass wir nicht bei der Zeitung arbeiten, dafür aber die Animateure, also die Gruppenleiter, bei kreativer Bastel – und Handarbeit unterstützen würden.
Die Sachen, die sie gestalten werden, würden am Samstag bei der Grundsteinlegung verkauft werden.
Die kreativen Stunden fanden in dem Gemeinderaum statt, der uns auch für den Deutschkurs (im Stadtteil Stub) diente. Zunächst sollten Gläser gestaltet werden. Das konnte man mit verschieden farbigen Bändern, Farben und anderen Dingen tun. Bei Lotte und mir lief es eher schleppend an, während die anderen nach einigen Minuten Ansätze von echt tollen Unikaten in ihren Händen hielten. Langsam aber sicher wurde es dann auch bei mir besser. Mein Gehirn begann den für die kreative Arbeit zuständigen Bereich anzuschmeißen. Wenig später nahm auch Lotte die ersten Fäden und den Kleber in die Hände.
Nach einiger Zeit wagten sich die Bosnier dann an Ketten, Ohrringe und Armbänder heran. Mein Gott, da entstanden echt bemerkenswerte Teile! Ich bewunderte diese sehr, blieb aber bei den Gläsern, weil ich Gefallen daran gefunden hatte.
Ein paar Ideen, Gläser, Minuten und Klebetübchen später gab es Stärkung in Form von Blätterteigtaschen.
Dann ging es weiter. Und langsam verlor ich die Lust. Es mangelte nicht an Ideen, aber an richtigem Kleber und damit sahen die Sachen nicht mehr 100%ig toll aus.
Am späten Nachmittag war der Workshop beendet, und angekommen in der Wohnung und im Sessel, hatte ich dann auf einer Skala von 0-6 für Lust auf den Sprachkurs eine minus 487. So fuhr ich dann ziemlich müde und unmotiviert mit Lotte dorthin.
Ivana, die Bosnierin, die uns an diesem Abend unterstützte, stellte sich kurz vor, dann lag das Wort bei uns. Da einige neue Kinder da waren und der letzte Kurs länger zurücklag, wiederholten wir die Sätze des letzten Males. Anschließend starteten wir mit dem Alphabet.
Anschließend reichten wir meine vorbereiteten Zettel durch und die kurzen Texte wurden vorgelesen, und unbekannte Wörter erklärt und an der Tafel übersetzt.
So füllte sich die Dreiviertelstunde ganz gut.
Ich muss sagen, dass es eigentlich ganz gut war. Natürlich war es anstrengend und nicht einfach gewesen, die Kinder bei Laune und ruhig zu halten, aber insgesamt hatte ich bei und nach der Stunde ein gutes Gefühl. Ein Problem besteht: die Gruppe ist zu groß. Das wollen wir beim nächsten Mal durch die Einteilung in zwei Gruppen lösen.

17.10.2011


Der erste Tag der Woche sollte wie immer ablaufen: wir würden zu Egipat fahren und abends den Sprachkurs haben.
Allerdings führt uns der Hinweg noch zum Jugendhaus, da Lucija uns mitteilte, das dort Post auf uns warten würde.
In der unteren Etage des Jugendhauses wartete dann mein Busticket auf mich (das hatte ich ja verloren)! In der Woche zuvor hatte Lucija mir schon gesagt, dass jemand es gefunden und abgegeben habe. Als ich es dann in der Hand hielt, war das echt ein tolles Gefühl. Denn damit hatte ich echt nicht mehr gerechnet. Vor allem nicht hier in Bosnien ;-)
Da für Lotte, bedingt durch ihren Geburtstag, ein Paket bei der Post angekommen war, machten wir uns mit zwei Jugendhausmitarbeitern im Bulli auf den Weg.
Überhaupt nicht kompliziert so ein Paket abzuholen! Erst zu einem Schalter, irgendetwas klären, dann durch einen Nebeneingang zu einem anderen Schalter das Abholen bezahlen und letztendlich etwas unterschreiben, bis man am anderen Schalter das gute Stück in Händen hält.
Lotte hatte Zeit, alles anzuschauen und zu lesen, da wir im Bulli netterweise rauf zu Egipat gebracht wurden.
Zu dieser Zeit begann der normale Ablauf eines Montags.
Nach einem anstrengenden Tag im Waisenhaus (denn ich musste unter Zeitdruck den letzten Kindern alleine helfen) und dem Kroatischsprachkurs, näherte sich der Höhepunkt des Tages. Er kam mit jeder Stufe der langen Treppe hinunter zur Stadt näher. Jeder Schritt brachte uns näher zu ihm. Letztendlich trennte uns nur noch eine stabile Eingangstür.
„I would like to put money on my sim-card…yes…ehm, 15 KM…no, I can do it. Thank you. …And I have another question. I would like to use mobile internet and especially 0.facebok.com. But right now it doesn’t work, because I need the dates. Maybe you could help me?”
Und die nette Frau wollte. Und konnte! Es dauerte zwar ein wenig, aber das war es mir wert!
Lotte und ich hatten eine Filiale unseres bosnischen Handyanbieters aufgesucht und saßen während des Wartens auf einem rechteckigen Sitz. Neben dem Schalter der Frau hatte ein Mann seinen Arbeitsplatz. Zunächst bediente er einen Kunden, dann hatte er nichts zu tun. Und das war der Moment, als er uns ansprach.
„I am sorry. Are you from Germany? Are you the two volunteers?
Wir waren ein wenig baff. Wie konnte er das wissen? Und wenn er uns meinte, was für ein Wunder!!!
Ja, er meinte uns. Denn er erwähnte Simo. Sagte, dass er ihn schon lange und gut kenne, und dann und wann im Jugendhaus helfe. Deshalb würden wir uns dann am kommenden Samstag auch sehen, wenn der Grundstein für den Neubau gelegt wird. Außerdem quatschten wir über unsere Arbeit hier, also über Egipat und Mjedeniza (die Behindertenschule) und über unsere Heimat. Er sagte, er sei beinah schon überall in NRW gewesen. In Kamen zwar noch nicht, gehört habe er aber schon davon.
Was ein tolles Erlebnis!          
Draußen in der kalten Luft Sarajevos machten wir uns dann den Weg zum Internetcafé. Auf dem Weg dorthin spielte ich ein wenig an meinem Handy herum, bis Lotte ebenfalls auf ihr Handy schaute. Und sah, dass dort einige Anrufe in Abwesenheit verzeichnet waren. Die Nummer konnte nur zu einem Gerät gehören: dem der Eronet-Angestellten. Denn sie hatte Lottes Nummer vorher im Laden gebraucht, um die facebook-Sache für sie zu regeln.
Es fiel Lotte wie Schuppen von den Augen. Ihr Paket! Oh nein. Ich bot ihr an, mich auf den Weg zu machen.
Lena und ihr Gedächtnis. Ich bog in eine Straße ein, und war mir gar nicht sicher, den Eronet-Laden zu finden. Doch dann erstrahlte das Rot seiner Schilder vor mir und ich betrat den mollig warmen Raum erneut.
Die beiden Verkäufer erwarteten mich schon grinsend. Das Paket hatten sie an die Seite auf eine Ablage gestellt. „Right now I was writing a message to her and I wanted to send it to her in these minutes!” Er war einfach so nett und freundlich. Ich bedankte mich sehr, sehr oft, auch in Lottes Namen.

16.10.2011

Das war der Tag des Ausruhens. So hatten wir es geplant. Denn der Trip mit den Deutschen und Bosniern war nicht gut und interessant, sondern auch anstrengend gewesen.
Also hatten wir einen chilligen Tag geplant, und da wir eifrige Deutsche sind, haben wir unseren Plan auch in die Tat umgesetzt ;-)

27.11.2011, über die Zeit vom 11.10.2011 – 15.10.2011


Oh je, oh je. So lange liegt die Zeit mit der bosnisch-deutschen Gruppe schon zurück. 1,5 Monate! Ziemlich lange. Und leider ist meine Erinnerung an diese Zeit auch nicht mehr die allerstärkste…
So werde ich einfach eine kleine Zusammenfassung der Gruppentage schreiben, während die anschließenden Tage (im Alltag) wieder, wie immer, veränderte Einträge meines Tagebuches sind, um dann bald wieder im Jetzt anzukommen und meinem Blog wieder Leben einzuhauchen.

Der zweite Tag in Travnik.

Wenn ich mir die Tabelle mit dem Programm der zehn Tage durchlese, bei diesem Tag hängen bleibe und mich erinnere, kommen mit Abstand die bedrückendsten Erinnerungen hoch.
Zunächst stiegen alle in den Reisebus, der uns zu einem abgelegenen Kloster brachte. Ich meine mich zu erinnern, dass dort Franziskanermönche leben.
Einer von diesen führte uns in der Kirche des Klosters zunächst in die Geschichte und die Vergangenheit dieses Ortes ein. Er erzählte unglaublich viel.
Etwas bildlicher und greifbarer wurde es dann auf den Gängen des Klostergebäudes. Wow, so viele Bilder außerhalb eines Museums hatte ich noch nie gesehen. Ein leerer, weißer Fleck an den Wänden war dort praktisch eine Ausnahme.
Viele verschiedene Werke schauten wir uns an. Abstrakte, einfache, verwirrende, klare, große, kleine; eine echt große Bandbreite. Obwohl ich ein wenig überfordert war und mich kaum auf einzelne konzentrieren konnte, sprangen mir doch ein paar ins Auge und gefielen mir sehr gut.
Da es draußen echt windig und regnerisch war, taten der warme Tee und der heiße Kaffee beim kleinen Imbiss anschließend sehr gut. Ein wenig durchatmen und ausruhen.
Bevor wir wieder in unseren Bus stiegen, schossen wir noch ein Gruppenfoto und nahmen den Mönch, der uns geführt hatte, natürlich in unsere Mitte.

Zu unserem nächsten Ziel brauchten wir nicht allzu lang. Dafür blieben wir umso länger dort. Grund dafür waren die dampfenden und duftenden Pizzen auf unseren Tischen, die nur für die Begegnung mit unseren Mündern gebacken worden waren. Mh, lecker! Und vor allem schmeckten die unglaublich großen Exemplare auch nach einer richtigen italienischen Pizza. Denn von süßer Tomatensoße und massig Ketchup keine Spur!
Wie unwichtig und nichtig so eine leckere Pizza aber sein kann, wurde mir sehr bald bewusst.
Von außen sah die Kirche modern und jung aus. Innen dann das gleiche Bild. Und Jugendarbeit sei ein großes Thema, wie der Pastor uns erzählte.
Doch bald wurde aus dem guten ein bedrückendes Gefuehl in der Magengegend.
Die Bänke im Innenraum waren etwas, was hatte nicht modernisiert werden sollen. Etwas, was den Gemeindemitgliedern wichtig gewesen war. Die Bänke sind eine Art von stummen Zeugen.
Und Zeugen, selbst wenn sie stumm sind, vernichtet man nicht. Sie sind wichtig. Auch wenn sie, und vielleicht gerade weil sie schlechte und schlimme Erinnerungen wecken können.
In Nova Billa sind das die Erinnerungen an eine schwarze Zeit. Die Gemeinde stand unter Beschuss, wie nahezu jede Siedlung im jetzigen Bosnien-Herzegowina. Granaten und Gewehrgeschosse pfiffen durch die Stadt. Zerstörten Häuser, Gebäude,  Behausungen, mühevoll Errichtetes, Lebenswerke; und auch Familien.
Man kann sagen, die Bänke haben alles Leid aufgesaugt. Auf ihnen wurden die Verletzten verarztet, sie lagen auf ihnen, warteten auf ihnen, schliefen, durchstanden unglaubliche Schmerzen, weinten, starben, erholten sich, wurden gesund, litten.
Der Pastor sagte, man müsse sich die gesamte Kirche als ein großes, provisorisches Krankenhaus vorstellen. Hier hatten Ärzte und einfache, provisorische Instrumente und Utensilien Platz gefunden.
Zwischen den geraden, ordentlichen Reihen der Bänke, in dieser so modernen und nach außen hin strahlenden Kirche bedrückte mich das unglaublich. Meine Vorstellungskraft war irgendwie nicht ausreichend. Zu wissen, oder vielmehr zu ahnen, was auf demselben Fußboden, auf demselben Holz der Bänke vor ca. 15 Jahren geschehen war, das überforderte mich.
Das bedrückende Gefühl im Magen wurde in Räumen hinter der Kirche in Bilder gefasst.
Es fällt sehr schwer, das zu schreiben…
Wir sahen unglaubliches Leid. Körperliches und seelisches. Kinder, Frauen, Männer, alte Menschen, Neugeborene. Alle.
Es gab einige Bilder, die mich besonders intensiv bewegten.
Da sitzt eine Familie um einen geöffneten Sarg. Man kann erkennen, dass sie ein sehr junges Familienmitglied verloren haben. Den Ausdruck in ihren Augen und in ihren Gesichtern kann ich nicht beschreiben.
Da schaut dich ein Mädchen an. Klammert sich irgendwo fest. Man erkennt die Umrisse eines Bettes. Automatisch wandert dein Blick ihren Körper herab. Und du siehst, dass sie beide Beine verloren hat. Ihre Augen…

Während alle Gruppenteilnehmer an den Wänden hergingen, war es extrem still. Mir selber liefen still die Tränen herunter, einigen anderen auch.
Als ich mich im Besucherbuch für diese Ausstellung bedankte und schrieb, wie bemerkenswert und enorm wichtig ich sie finde, war das mein voller Ernst. So schlimm, und gleichzeitig so ungemein wichtig.

Anschließend erfuhren wir die Gastfreundlichkeit in Bosnien. Der Pastor lud uns praktisch in sein privates Wohnzimmer ein und servierte heißen Tee, alle möglichen Getränke, Snacks und Süßigkeiten.
Obwohl die Stimmung in der Gruppe gut war, viel gelacht und gescherzt wurde, hatte zumindest ich das Gefühl, dass das eine Art Schutzreaktion war. Schutz vor den schlimmen, gerade vorher gewonnenen Eindrücken. Bei mir was das zumindest so.
Während des Zusammensitzens wurde ein Thema besprochen, das schon beim Mittagessen im Mittelpunkt gestanden hatte: Für den nächsten Tag stand Wildwasserrafting auf dem Programmplan. Da hatte ich mich drauf gefreut! Etwas, was man wohl so schnell nicht noch einmal erleben konnte.
Leider war es nur so, dass die Verantwortlichen das Wetter als zu schlecht ansahen und die Anzahl der Kranken sollte nicht noch weiter steigen.
So begann dann eine hitzige Diskussion. Rafting? Oder der Alternativvorschlag Dubrovnik. Besagte Alternative hörte sich zunächst toll an. Die Stadt soll wunderschön und definitiv einen Besuch wert sein. Und auch hier: wann würde man wieder so eine Möglichkeit bekommen?
 Der Haken bei der Sache: die mindestens sechsstündige Fahrt. Das würde heißen, wir müssten gegen 7 Uhr in Travnik mit all unserem Gepäck aufbrechen (denn es wird der letzte Morgen dort sein) und dann bis zum frühen Nachmittag im Bus sitzen. Dann aus letzterem springen, uns in Eile die Stadt anschauen und dann am frühen Abend die Rückreise antreten, da wir ja auch nicht zu spät in Mostar (unserem nächsten Aufenthaltsort) ankommen dürften.
Das hatte ich im Hinterkopf, und da wir beim Rafting von Kopf bis Fuß in einen wasserdichten Neoprenanzug gekleidet sein würden, machten mir das Wetter und mögliche Gesundheitsgefährdungen auch keine Angst.
Die Mehrheit der Gruppe sah das aber anders. 

So musste ich mich dann wohl unterordnen, und stand am nächsten Morgen munter mit meinem Gepäck neben den anderen, um den Bus zu besteigen.
Bei den sechs Stunden blieb es dann nicht.
Dubrovnik erreichten wir gegen halb 3.
Und wirklich eine tolle Stadt! Die Fahrt durch Kroatien war ja schon schön gewesen; viele kleine Orte, malerisch und wunderschön am hellblauen Wasser gelegen. Aber Dubrovnik raubte einem praktisch den Atem.
Nach einer Stadtführung durch die engen Gassen und wichtige Gebäude, hatten wir anschließend Freizeit am kleinen Strand der Stadt. Es blieb natürlich Zeit, Souvenirs zu kaufen und weiter die Stadt zu erkunden.
Gegen Abend erreichte Dubrovnik dann noch einen höheren Wert auf der Schönheits-skala. Ein toller Sonnenuntergang und eine schöne Atmosphäre in der Stadt (unterhalb des Textes werde ich Fotos hochladen).
Bedingt durch eine Panne  und einem Nachtmahl in einem 4-Sterne-Hotel (ich weiß bis heute nicht, warum) kamen wir nach Mitternacht in Mostar an.
Eine kleine, schöne und gepflegte Pension erwartete uns dort. Meinen Koffer zog ich noch ins Zimmer zu Charlotte, dann ließ ich mich völlig fertig ins Bett fallen.
Ich kann es immer noch nicht glauben, wie sehr Fernsehen Sprachkenntnisse beeinflussen kann. Im positiven Sinne wohlgemerkt.

Es musste ein deutscher Student sein. Zwar hatte ich beim Frühstück herausgehört, dass der Freund einer bosnischen Teilnehmerin die Stadtführung machen würde, aber da musste ich etwas nicht verstanden haben. Da stand definitiv ein in Bosnien studierender Deutsche vor mir.
Nein, so war es aber nicht. Ein in Bosnien studierender Bosnier war es. Ein Jahr lang hatte er als 5-jähriger in Deutschland  verbracht.
Das würde erklären, warum man Grundkenntnisse der deutschen Sprache beherrscht.
Aber es würde noch nicht erklären, warum man völlig akzentfrei, wie ein Deutscher spricht, und dabei Fachausdrücke benutzt, die einigen Gruppenteilnehmern nicht einmal geläufig waren.
Das mache das Fernsehen, so unser Stadtführer. Er ist in Mostar geboren worden und aufgewachsen und weiß so viel über diese Stadt. So war die Führung definitiv nicht langweilig und keine Standard-Stadtführung.
Mit der Mehrzahl aller wichtigen Orte in Mostar bekannt, wurde die Gruppe dann getrennt, um in Kleingruppen ein Stadtspiel zu bewältigen. Dafür mussten Aufgaben erfüllt werden, wie z.B. das Ausdenken eines zweisprachigen Songtextes über Mostar und eine dazu passende Choreographie.
Ziemlich lustig das Ganze!
Die Ergebnisse der Songtext-aufgabe wurden dann beim Abendessen vorgestellt. Diese fand für unsere Zeit in Mostar in einem gemütlichen, kleinen Restaurant statt.

Zu einem Wallfahrtsort ging es am Freitag (14.10.). Medugorje ist über die Grenzen Bosniens bekannt und so reisen viele auch ausländische Besucher alljährlich dorthin.
Offiziell, also vom Vatikan als Wallfahrtsort anerkannt, ist Medugorje nicht. Im letzten Jahrhundert soll einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen die heilige Maria erschienen sein. Ort des Geschehens sei ein Berg, oberhalb der Gemeinde.
Und so bestiegen wir diesen nach Besichtigung der Kirche und der Anlage.
Das dauert ziemlich lange, anstelle eines erdigen Weges muss man ein Geflecht aus Steinen bewältigen.
Oben angekommen konnten wir dann aber eine lohnenswerte Aussicht genießen und an einem Denkmal zur Ruhe kommen.
Später besichtigten wir dann ein Ethno-Dorf; also eine Anlage, die die Lebensweise vor vielen Jahren hautnah zeigen soll. 
Beim Abendessen bekamen wir die bosnische Lebensweise ebenfalls hautnah mit. Denn im Kamin des Restaurants wurde für uns in einer feuerfesten Form eine typisches Gericht zubereitet. Es bestand aus Kartoffeln, Paprika und Fleisch und schmeckte echt gut!

Am Samstag, den 15.10. war die gemeinsame Zeit dann schon vorüber.
Nachdem wir wieder in Sarajevo angekommen waren, hieß es Abschied nehmen am Flughafen. Ich muss sagen, das viel mir schon ein wenig schwer. Einige deutsche Teilnehmer hatte ich gut kennengelernt und mich auch gut mit ihnen verstanden.

Samstag, 19. November 2011

bitte nicht boese sein...

Mein Titel kuendigt es an... ich habe ein etwas schlechtes Gewissen. Denn meinem Gefuehl nach, liegt der letzte Blogeintrag Jahr zurueck.
So moechte ich mich nun bei allen mit der Hufe scharrenden Lesern entschuldigen :)
Der Alltag ist oft so stressig und ohne grossen Pausen, dass ich meinem Drang zum Schreiben nicht mehr allzu oft nachkommen kann... Dazu kommen dann tolle Highlights, wie ein Wochenende mit angehenden Animateuren (zwei tolle Tage), Besuch aus Deutschland :))), oder einige Viren, die sich unerlaubt einfach bei mir eingenistet haben. (Jap, mir geht es wieder fast perfekt! Nachdem ich nach einigen Tagen mit Schmerzen beim Arzt war, und Auf-push-Mittel, wie eine Infusion, eine Penizillin-Spritze direkt in den Hintern und Pillen bekam, konnte ich neue Kraft tanken und die Schmerzen sind zu 99 % weg. Ich denke, Montag, spaetestens Dienstag, steht einem Comeback in den Alltag nichts mehr im Wege ;) )

So viel nun, ich werde mich jetzt durch den kalten Novemberwind auf zur Wohnung machen (BOOOOOOORUUUUUUUUSIAAAAAAAA gegen die Bayern - denn wir haben einen tollen Sportsender gefunden, der den BVB zu lieben scheint und jedes Spiel live uebertraegt :) ).

Sehr bald wird hier wieder etwas erscheinen - und dann auch ueber die vergangene Zeit, ueber die ich noch nichts berichtet habe,

kalte, aber im Innern warme Gruesse,

eure lena 

Dienstag, 25. Oktober 2011

bevor es sehr bald mit den fehlenden Tagen weitergeht, gibt es heute mal wieder bunte Pixel.
Ich hoffe, sie gefallen und zeigen ein wenig das, was ich, vor allem mit der bosnisch/deutschen Gruppe erlebt habe ;-)
"Hoffnung"

in der stari grad / Altstadt Sarajevos

die othodoxe Kirche

mein erstes Mal Cevapi in diesem Jahr

eines der Foto mit meiner Gruppe am ersten Abend

Lotte und ich

der Blick von der kath. Schule aus

Montag, 24. Oktober 2011

10.10.2011


Der letzte Tag in Sarajevo war angebrochen! Denn an diesem Montag würden wir nach Travnik aufbrechen, um dort eineinhalb Tage zu verbringen.
Vor der Busfahrt war ein Treffen mit dem Kardinal Sarajevos abgesprochen. Dafür sollten wir uns eigentlich um 8:30 Uhr zu ihm auf den Weg machen. Aber es kam anders, und um halb neun war Zeit in Ruhe die Koffer zu packen, denn dem Kardinal war etwas Wichtiges dazwischengekommen. Schade, denn ich habe schon oft gehört, dass er immer sehr interessiert an jungen Leuten ist und ein offenes Ohr für vieles hat. Nun ja, so konnten wir die Zeit ausgiebig und in aller Ruhe nutzen, sodass wir entspannt in den Bus stiegen und uns in der folgenden Stunde der Stadt Travnik näherten.
Auch dort stellte eine katholische Schule unsere Schlafräume, die wir nach dem Mittagessen bezogen, um dann für einen kleinen Stadtrundgang aufzubrechen. Lucija, die hier aufgewachsen war, kannte sich gut aus und zeigte uns die Gebäude, die den Charakter der Stadt bilden. Gegen Ende wurde ein sehr steiler und langer Aufstieg belohnt: Denn wir wanderten zu einer alten Burg und hatten so abschließend einen tollen Blick auf die Stadt.
Der für den späten Nachmittag geplante „ökologische Workshop“ konnte dann nicht international stattfinden: Die Gruppe aus dem Bistum Limburg brauchte noch Zeit, um den deutschen Abend vorzubereiten. Einen solchen Abend würde es auch am kommenden Tag geben. Für beide gab es keine richtigen Vorgaben. Einzig klar war, dass beide Abende mit dem jeweiligen Land und der jeweiligen Kultur zu tun haben müssen.
Da Lotte und ich keine „richtigen Deutschen“ waren, sammelten wir dann mit den Bosniern Steine auf und schmissen die in einen Container. Uns war gesagt worden, dass die Pastöre auf dem Gelände der Schule aus den Steinen ein neues Gebäude bauen werden. So machten wir dann eine Stunde lang Krach und schmissen Stein auf Stein.
Das Abendessen ging vorüber und der deutsche Abend begann! Während Lotte eine Ahnung vom Programm hatte, weil sie Gitarre spielen würde, wusste ich gar nichts. So war ich dann genauso gespannt wie die Bosnier.
„Wetten dass…“ prangte in großen Buchstaben an der Tafel des Klassenzimmers, in der der Abend stattfand. Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Denn: nach dem Abendessen hatte ich eine Deutsche geschminkt und im Kleid durch die Schule laufen sehen. Als sie mich aus Versehen fragte, ob sie wie ein Model aussehen würde, wusste ich über ihre Rolle Bescheid.
So würde bei der Sonderausgabe von „Wetten dass“ also schon mal Heidi Klum zu Gast sein. Weitere geladene Personen waren Franzi van Almsik, Lukas Podolski, Angela Merkel, Thomas D von den Fantastischen 4 und Lotte mit ihrem Sonderact. Gastgeber waren Frank Elstner und Thomas Gottschalk; alle natürlich von den Deutschen gespielt.
Die Bosnier wurden auch einbezogen: Und zwar als Wettkandidaten. Und ich wurde das auch: Sofort bei der ersten Wette. Mit Borjan durfte ich versuchen, in einer Minute jeweils 20 Salzstangen zu essen. Mh, das war lecker! Nicht. Naja, so schlimm war es nicht. Aber während Borjan es packte, schaffte ich es leider ganz knapp nicht. Die anderen Wetten waren (auch) sehr kreativ: So mussten Lucija und Ivana in zwei Minuten eine sehr lange Reihe von Teelichtern auspusten. Das aber nicht mit ihren Mündern, sondern mit ihren Nasen. Wir konnten nicht mehr vor Lachen!
Und für die Fälle, dass die „Promis“ mit ihrer Wett-Voraussage falsch lagen, hatten sie sich auch Sachen einfallen lassen.
Alles in allem war das ein guter Abend gewesen! Die Deutschen hatten unser Heimatland auf eine sehr kreative, nicht langweilige Weise und mit viel Mühe und Einfallsreichtum dargestellt. Ich ziehe meinen imaginären Hut!