Freitag, 22. Juni 2012

Sarajevo. Eine kriminelle Stadt.

Sarajevo ist kriminell! Sarajevo ist ein Dieb! Ein ganz gefaehrlicher Dieb. 
Ein Dieb, der skrupellos ist und auf nichts und vor allem auf niemanden Ruecksicht nimmt. Auch ich bin ein Opfer geworden; fast unmerklich. 
Sarajevo klaut Zeit! 
Ja, so ist es. Man muss aufpassen, wenn man sich ahnungslos als Freiwillige hier niederlaesst, und guten Willens ein begrenztes Leben beginnt. Die Stadt mach mit einem, was sie will, der eigene Zeitplan ist von jetzt auf gleich nichts mehr Wert. Schon hat ihn der knarzende Trolejbus ueberrollt, oder das stinkende Wasser der Miljacka hat ihn verschlungen.
Jaja, so ist das!

Schade, das alles koennte eine wahrhaft gute Erklaerungn fuer den Scheintod meines Blogs sein. Aber ich muss mir eingestehen, dass ich es schlicht nicht auf die Reihe bekommen hab und mein Stess in den letzten Wochen nicht zu gering war.
Ich gestehe mich schuldig.
Aber hey, Sarajevo ist nicht so unschuldig, wie man denkt! :)

Auf jeden Fall versuche ich noch einmal eine Wiederbelebungsmassnahme mit dem letzten Zwischenbericht. Nada umire posljednja- die Hoffnung stirbt zuletzt, auch hier, bei mir ;) 

  
3. Zwischenbericht                                                                                                               22.06.2012

Und schon ist die Zeit fuer den letzten Zwischenbericht gekommen und meine Zeit in Sarajevo ist so gut wie vorbei.

Vor einigen Tagen bin ich mit Gepaeck fuer einen Monat nach Brčko gekommen, um hier an drei verschiedenen Camps des Jugendhauses Johannes Paul II. teilzunehmen. Das jetzige Camp „Friedensgrund“ ist ein oekumenisches (in diesem Fall katholisch und orthodox); die Teilnehmer leben zwoelf Tage in Zelten zusammen auf dem Gelaende einer Gemeinde und verbringen so mit leichtem Programm ihre ersten Ferienwochen. Das zweite Camp wird eines fuer Waisenkinder sein, bevor dann Anfang Juli, ebenfalls in Brčko, die sog. Specializacija beginnt, der Abschluss der Gruppenleiterausbildung. Waehrend der Zeit hier in Brčko bin ich ins Leiterteam integriert und arbeite im Kuechenwagen.

Das Ende meines Freiwilligendienstes wird mit dem Ende einer kleinen Reise durch Kroatien und die Slowakei einhergehen, auf der Charlotte und ich Freiwillige unseres Zwischenseminars in ihren Dienststellen besuchen werden.

So sieht im Groben die Zukunft aus. Nun werfe ich einen Blick auf die vergangenen Wochen und Monate. Ein Ereignis, auf das ich mich besonders gefreut habe, war mein Geburtstag im April. Nicht aufgrund meines Geburtstages, sondern eher, weil an diesem Tag meine Mutter und Oma fuer drei Tage zu Besuch kamen. Wie wird es? Was koennen wir in der Zeit machen? Wie soll ich mich verhalten? Wie werden die beiden ueber alles denken? Wird es komisch? – das waren einige der Gedanken, die ich mir vorher machte. Nach anfaenglicher Aufregung und dem Gefuehl, dass es komisch ist, zwei mir nahestehende Menschen in meinem „anderen Leben“ zu wissen, gewoehnte man sich schnell aneinander und es war uns eine pure Freude, Neuigkeiten zu erzaehlen und vor allem tat es mir gut, ihnen kleine Einblicke in das Leben und vor allem in die Arbeit hier zu geben.

Waehrend und schon vor dieser Zeit machte ich mir Gedanken ueber meinen Abschied, denn die Zeit rannte nur so dahin und ich hatte Angst, von diesem Thema ueberrollt zu werden. Da ich ueber all die Monate die Kinder meiner Arbeit recht gut kennengelernt habe und sich die Persoenlichkeit eines jeden ueber die Zeit sich mir immer mehr zeigte, beschloss ich ziemlich frueh, jedem Kind eine passende Kleinigkeit zu schenken. Bei einigen Kindern fiel es mir recht leicht ein persoenlichkeitsbezogenes, kleines Geschenk zu finden, bei anderen widerum nicht. Das zeigte mir noch mal, mit welchen Kindern ich am meisten zu tun hatte, und auch, welche Kinder ich fest in mein Herz geschlossen habe. Ergaenzend dazu wollte ich noch etwas fuer den gesamten Raum basteln und auf diese Weise Fotos hinterlassen.

Nach meinem Geburtstag schien die Zeit noch schneller zu vergehen. Meine Oma und meine Mutter waren seit einigen Tagen wieder zu Hause und nach einer mir sehr kurzen Zeitspanne waren schon wieder 2,3 Wochen vergangen. Waehrend im ersten halben Jahr zwei Wochen fast schleichend vergingen, vergingen im 2. Halbjahr in dieser gefuehlten Zeit fast zwei Monate. Das fand ich auf der einen Seite total beaengstigend, aber mir wird klar, dass ich aufgrund der immer knapper werdenden Zeit mehr ueber meine Arbeit, meine Beziehungen zu den Kindern, mein Verhalten (Besserungsmoeglichkeiten?), meine Person und sonstige Aspekte nachdachte. Das „Ende vor Augen“ hat meine Zeit sozusagen noch bereichert, da ich alles ein wenig mehr zu schaetzen lernte.

Etwas, was ich am Anfang des Jahres total falsch eingeschaetzt hatte, war der Abschied. Natuerlich ist klar, dass man nach kurzer Zeit auf der Arbeit noch keine solche Beziehung zu den Kindern aufgebaut hat, als dass man sagen kann „oh, das wird in 10 Monaten aber ein schwerer Abschied.“ Aber ich denke, wenn arbeitstechnisch (sprich zwei Tage Kinderheim und zwei Tage die Woche Behindertenschule) alles so geblieben waere, waere mein Jahr anders und vielleicht sogar nicht ganz so erfuellend verlaufen. Erst in den letzten Wochen wurde mir bewusst, dass der Wechsel der Arbeit eigentlich fuer mich bedeutete und je mehr ich darueber nachdachte, desto gluecklicher wurde ich.

Besonders wurde mir dies bewusst, als mein Vater im vergangenen Monat zu Besuch kam. Wir verbrachten zwei Tage in Sarajevo, bevor wir zu einem richtig tollen und erholsamen Urlaub nach Kroatien aufbrachen und anschliessend noch einmal 3 Tage in Saraejvo verbrachten. In diesen zeigte ich ihm u.a. meine alte Arbeitsstaette, das Waisenhaus. Dort bin ich immer unglaublich gerne hingegangen. Das Arbeiten hat mir grossen Spass gemacht und ich habe immer eine richtige Geborgenheit gefuehlt. Beim Besuch mit meinem Vater fuehlte es sich dort total anders an. Die Kinder waren mir nicht mehr so nah, ein wenig fremd geworden, wir hatten nicht mehr die gleiche „Verbindung“. Und ich empfand die Geborgenheit anders als vorher. Alles war dort so ordentlich; ich empfand es teilweise schon als steril. Das Leben dort ist, so wurde mir noch einmal klar, das komplette Gegenteil zu dem in der Behindertenschule. Ich moechte jetzt nicht urteilen, was besser oder schlechter ist; beides hat Vor- und Nachteile. Aber ich kann sagen, dass ich dort in der Schule grade wegen des manchmaligen Chaos die Kinder besser kennengelernt habe und mich durch die vielfaeltigen Aufgaben dort mehr entwickeln konnte, als es durch das taegliche Hausaufgabenbetreuen im Waisenhaus moeglich gewesen waere.

In der letzten Zeit dachte ich viel ueber das oben genannte nach. Und dazu lerne ich mich und mein persoenliches Umfeld zu Hause, meine Familie und Freunde, noch mal neu kennen und habe einiges von anderen Blickwinkeln gesehen. Diese Dinge sind sehr privat, aber ich kann sagen, dass das natuerlich schmerzhaft sein kann, aber auch ungemein befreiend und erleichternd sein kann. Zu manchen Menschen, vor allem zum engen Familienkreis, haben sich die Beziehungen gefestigt. Ich sehe meine Verwandten mit anderen Augen, und ich glaube, sie mich auch. Aus dieser Entwicklung kann ich Kraft schoepfen und will versuchen, Probleme und deratiges neu anzugehen, da ich glaube, dass sich das auch bei ihnen zu Hause in diese Richtung entwickelt hat. Vor Kurzem schrieb mir ein enger Freund, dass er der Ueberzeugung sei, dass das Jahr das Beste ist, was uns passieren konnte. Da kann ich ihm zustimmen. Wir waren immer ganz gut befreundet gewesen, aber auf die Entfernung hin hat sich unser Kontakt verfielfaeltigt und vor allem intensiviert.

Ergaenzend dazu lerne ich viel ueber mich selbst. Nicht zuletzt einfach schon, weil ich nicht mehr zu Hause wohne und mit einer anderen Person zusammenlebe, die nicht direkt auf meinem engen Umfeld kommt. Dazu kommt das alleine-leben in Sarajevo, die Arbeit, eine neue Lebenssituation. Das macht mir vieles ueber mich selber klar.

Nun meochte ich noch einen kurzen Blick in die Zukunft werfen, und dann den 3. Zwischenbericht auch schon abschliessen.

Insgesamt faengt die Camp-Zeit hier echt gut an; definitiv viel besser, als gedacht. Denn liebend gerne waere ich in Sarajevo geblieben und haette die letzte Zeit dort genossen. Aber so ergibt sich jetzt eine gute Mischung aus dem Kennenlernen von bosnischen Camps, einer letzten Woche Leben in Sarajevo, bevor das letzte Camp mit vielen und sehr guten Freunden aus Deutschland losgeht, auf das ich mich riesig freue. Der Abschied danach wird wohl etwas merkwuerdig, weil Lucija, unsere Verantwortliche, vor ein paar Tagen fuer zwei Monate nach Ameika aufgebrochen ist, aber ich werde mir Muehe geben, mich richtig von Stadt und Menschen zu verabschieden.

Abschliessend kann gesagt werden, dass es mir momentan sehr gut geht. Ich blicke auf einen unvergesslichen Freiwilligendienst zurueck, von dem ich froh bin, dass ich ihn gewagt habe. Es ist ungalublich, wie sich meine Einstellung waehrend des Dienstes ueber ihn veraendert hat, wie viel ich mitnehmen werde und ich hoffe, dass ich alle neuen Erfahrungen gut in meine Zukunft einbauen kann.

Sonntag, 25. März 2012

Die Stadt mit dem komischen Namen, gehasste Schneeflocken und vertraute Schilder



Das Leben ist wie eine grosse Autobahn,

lass uns nicht lange überlegen, sondern losfahrn.

Wohin ist egal und wo lang werdn wa sehn,

es wird immer weiter gehn [ ]“
In diesem Sinne: Herzliche Einladung mir via Internet und vielen Buchstaben mal wieder auf einer laaaaaaaaangen imaginären Autobahn nach Sarajevo zu folgen!


Oh, Moment, nein. Stop. Da habe ich den Verlauf der Zeit vollkommen außer Acht gelassen. Verweilen wir in einer Stadt, die in Bosnien durch ihren Namen oft für allgemeine Verwirrtheil sorgt. Denn warum wird eine Stadt denn auch auf den Namen „Stein“ getauft? Viel mehr Sinn würden „Kreuz“ oder „schiefe Kirche“ machen. Nun, dass dies aber Bosnier wissen können, ist schlichtweg unmöglich: Um einen grenzübergreifenden Bekanntheitsgrad zu erlangen, müsste die beschriebene Stadt erheblich wachsen. So bleibt sie eine international unbekannte Siedlung vieler Menschen an einem schmalen Fluss, der schiefe Turm wird nie an die Popularität seines großen Bruders in Pisa herankommen und der Name Kamen (bosnisch für Stein) wird weiter für Verwirrung sorgen.


Mir egal, ich mag die Stadt trotzdem. In ihrem Herzen, nah an der Innenstadt, wartete in der Küche eines weißen Hauses auf einem Holztisch ein dampfender Teller. Königsberger Klopse nach Mamas Art! Ich sah es wieder; mein Leibgericht! Und nicht nur das. Ich sah meine Heimat wieder. Mama, Papa, Oma, Lukas… Doch bevor ich das alles genießen konnte, sah ich Schnee.


Schnee ist etwas Feines. Wer liebt ihn nicht? Stundenlanges Herumtoben, Schneeballschlachten, Schlittenfahren, das Bauen von menschenähnlichen Wesen mit Karottennase. Alles in allem ein tolles Naturereignis. Aber nicht, wenn es etwas zu verhindern droht, auf das man sich wochenlang gefreut hatte. So dachte ich Ende Dezember letzten Jahres. Mit jeder Schneeflocke, die vor unserem Fenster in Richtung Boden rieselte, begann ich den Schnee etappenweise immer schlimmer zu verfluchen. Bevor ich mich dem Schneeflockenbetrachten widmen konnte, hieß es die Wohnung wieder in ihren Lotte-und-Lena-freien Zustand zurückzuversetzen. Denn unser Abschied von den 70 Quadratmetern stand an. Seit September hatten wir in dieser voll ausgestatten Wohnung im Stadtteil Dobrinja gewohnt; und dass sie ausgestattet ist, das liegt hauptsächlich daran, dass wir dort sozusagen nur zur Untermiete gewohnt haben: Das Ehepaar, welchem die Wohnung gehört, hat eine zweite im Norden Bosniens. Diese wollten sie Anfang Dezember ganz gerne für eine absehbare Zeit von drei Monaten verlassen und mal wieder in Sarajevo wohnen. So war schon seit Anfang November klar gewesen: Wohnungssuche für die beiden deutschen Freiwilligen. Eine Fahrt über das Kamener Kreuz ohne einen Stau zu genießen? Schwer zu schaffen. Mindestens genauso schwer  ist es, eine freie Wohnung in Sarajevo zu finden. So stand erst kurz vor dem großen Event „Umzug“ fest, dass Lucijas ( = unsere Verantwortliche) Wohnung unser neues Heim werden würde. Gleichzeitig würde sie dann ausziehen. So saß ich dann am 19. Dezember zum letzten Mal auf dem Küchenstuhl in Dobrinja und versuchte meine Tötungsblicke an riesigen Wolken, die ihre Schneeflocken über der Stadt verteilten. Genügend Zeit hatte ich. Nicht genügend, sondern zu viel. Angetrieben von der Aussicht, dass wir um 11 Uhr mit dem großen, blauen Bulli abgeholt werden würden, lagen alle Anziehsachen, Schuhe, Kosmetika, Fotos, Stifte, Handtücher und sonstige private Sachen in ihren Taschen und Tüten, die Wohnung strahlte und funkelte überpünktlich und Charlotte und Lena waren gestriegelt und fertig für das Abenteuer. Leider war der Bulli nicht überpünktlich. Es gab viele Probleme bei der Koordination der beiden Umzüge. So saß ich dort und versuchte den Wolken über meine Blicke mitzuteilen, dass sie sich doch bitte vorstellen sollten, was der kommende Tag für ein Tag für mich wäre. Den Bus würde ich nicht in Richtung Arbeit nehmen, sondern stadtauswärts, bis ich den Radarturm sehen würde. Der Bus würde nicht weiterfahren, den letzten Kilometer würde ich meine rote Reisetasche hinter mir ziehen, dann über den großen Parkplatz mit den Schranken, in der Drehtür des Gebäudes würde mir warme Luft entgegenschlagen. Die rote Tasche würde ich bald darauf abgeben und im Gegenzug ein Stück Papier bekommen. Die Wartezeit würde mir gar nicht lang vorkommen. Sie würde wie im Flug vergehen. Und der selbige würde noch schneller vergehen. Nach dem Aufsetze auf Beton würde mich kurz darauf, nachdem ich einem genervten Beamten meinen Ausweis durch einen schmalen Ritz in einer Scheibe zugeschoben hätte, mein Papa auf mich warten. Hinter der Absperrung würden wir uns in den Arm nehmen (ENDLICH), bald darauf sein Auto draußen vor dem riesigen Gebäude im Wirr-warr der vielen und hektischen Menschen suchen. Die Tasche wäre verstaut, wir angeschnallt und auf dem Weg zu der Stadt mit dem komischen Namen und dem schmalen Fluss. Ein dampfender Teller würde auf mich warten. Auch meine Mutter würde ich umarmen, ihr einen Kuss geben. In einem anderen Haus, circa 2 Kilometer Luftlinie entfernt, würde mein komplett überraschter Freund völlig die Fassung verlieren. Würde. Wäre. Würde.


Der Bulli holte uns am Abend gegen 19 Uhr ab. Es war richtig anstrengend, all die Sachen ein- und auszuladen. Die Schneeflocken, die ich tagsüber noch betrachtet hatte, lagen bereits auf dem Boden und taten ihr Übriges dazu. Angekommen im ersten Stock unseres neuen Wohnhauses (Bilder davon und andere kommen gaaaaaaaaaaaaaaanz unten) hieß es kurz umgucken, abstellen und wieder heraus. Wie jedes Jahr fuhr auch letztes Jahr Sebastian Moehrchen mit seiner Hilfsorganisation „building one world e.V.“ hier nach Sarajevo, um unter anderem auch im Kinderheim Egipat, Weihnachtspakete auszuteilen. Am Abend ihrer Ankunft fuhren wir dann also in die Stadt, und mit ihnen zu reden und um sie zu ihrem Hostel zu lotsen. Dem Chaos aus Taschen, Koffern und Tüten in unserer neuen Wohnung konnte ich mich so erst spät in der Nacht widmen. Aber das musste sein: schließlich wollte die rote Reisetasche zum zweiten Mal an diesem Tag gefüllt werden, um am nächsten Tag bereit für das nächste Abenteuer zu sein. Das war ich langsam auch und die erste Nacht im neuen Bett rief! Dauerte allerdings nicht so lang an, da sich letzteres als unglaublich weich herausstellte und meinem Rücken das nicht gefiel. Die Couch im Vor-Wohnzimmer dagegen schon und so schlief ich im Jahr 2011 in unserer neuen Wohnung nur auf der Couch.


Leider zeigte auch das Fenster meines neuen Zimmers das altbekannte und zu diesem Zeitpunkt gehasste Bild. Schneeflocken. Auch in Alipašino Polje (unserem neuen Stadtteil) sahen sie genauso aus, wie in Dobrinja. Und sie waren leider auch genauso hartnäckig. Das Bild vor unserer Tür sah immerhin echt schön aus! (Bilder). Den Morgen verbrachte ich als nervöses Nervenbündel im Jugendcenter. Mein Zustand besserte sich nicht gerade, als mir gesagt wurde, dass doch gar keine Flugzeuge fliegen würden?! Ein Scherz. Gegen Mittag bat Lucija an, mich zum Flughafen zu bringen. Das „Den Bus würde ich nicht in Richtung Arbeit nehmen, sondern stadtauswärts, bis ich den Radarturm sehen würde“ wurde so ein wenig verändert, denn der Schnee machte ein Laufen mit der großen roten Tasche unmöglich. Am Radarturm angekommen, die Drehtür passiert, platzte ich vor Aufregung. Die Tasche wurde ich los, und bevor ich im Gegenzug meine Bordkarte bekam, erfuhr ich, „Ja, wir fliegen!“. Allerdings eine Stunde später. So verging die Wartezeit nicht wie im Flug; aber fast. Später, eingequetscht in meinem Sitz, die dicke Jacke auf dem Schoß, das Getränk, was bei vielen ein Tomatensaft war, in der Hand, lernte ich eine Bosnierin kennen. Sie war neben mir eingequetscht, wollte kein Getränk, nur schlafen. Und bevor sie das tat, hatten wir ein echt gutes Gespräch. Ehrlich und offen, lustig und humorvoll. In diesen Minuten über den Wolken, wurde mir so bewusst, dass ich mich mit einer Frau unterhielt, dessen Heimat dort unter den Wolken lag. Das „du“ war ungeschriebenes Gesetz in diesem Gespräch; wie in so vielen solcher Art. Man brauchte nicht lange, um warm zu werden. Nach einigen Minuten erzählte sie mir über wichtige Ereignisse ihres Lebens. Wir plauderten über unsere Vorhaben in Deutschland. Sie gab ganz offen zu, dass sie gar nicht im Kopf hatte, an was für einem Wochentag Weihnachten sein würde. Alles herrlich ehrlich und offen, ganz locker und doch ernst. Bevor ich später dem doch nicht genervten Beamten meinen Ausweis durch einen schmalen Schlitz einer Scheibe zuschob, tauschten wir noch unsere Nummern. Dann musste sie los; ihre Schwester würde sie abholen; Gepäck hatte sie nicht. Deswegen konnte sie das lange, kurvige Band außer Acht lassen. Ich dagegen nicht und wartete dort, dass meine rote Tasche auf diesem mir entgegen kam. Papa und ich umarmten uns lang. Mensch, war das schön! Alles fühlte sich zwar komisch an; die ganzen Schilder auf Deutsch, alle Menschen konnte ich verstehen, alles sah so anders aus. Der Flughafen war so riesig, viel zu viel. Wie ein paar Nummern zu groß. Und alles sah so deutsch aus. Allein schon die Schilder der deutschen Bahn, die den Weg zum nächsten Zug wiesen. Es war irgendwie ein vertrautes und irgendwie schönes Gefühl, das alles zu sehen (es mag sich zwar komisch anhören, dass so ein Gefühl bei Schildern entstand), gleichzeitig aber auch komisch. Auf einmal war ich da; von jetzt auf gleich. Ich dachte, ich passe da nicht hin und hatte Angst, dass das Gefühl zu lang andauern konnte. Was vielleicht aber auch nicht schlecht wäre, denn wenn ich nach diesen zwei Wochen das Gefühl gehabt hätte, ich bin wieder voll und ganz da, angekommen in der Stadt mit dem kleinen schiefen Turm, dann wäre das nicht optimal. Überhaupt nicht optimal.


Als ich Papa dann dort stehen sah, wir uns dann umarmten und zum Auto gingen, war dieses Gefühl noch extremer, als das, welches mit den Schildern zu tun hatte (wäre aber auch höchst merkwürdig, wenn nicht). Die ganze Zeit über hatte ich das Gefühl, in einem Traum zu sein. Oder zumindest nicht richtig in meinem Körper zu sein. Oder fremdgesteuert zu werden. Dann kam deutsches Radio, 1live, deutscher Verkehr, die Anzeige, auf meinem Handy, dass es deutsches Netz empfing, deutsche Verkehrsschilder, eine Autobahn. Und eine Autobahn mit deutschem, abendlichem Berufsverkehr. Vor den Toren Kölns, wie am Kamener Kreuz: Deutscher Stau. Die Minuten zogen sich, die Schlange der Autos ebenfalls. „[…]wir angeschnallt und auf dem Weg zu der Stadt mit dem komischen Namen und dem schmalen Fluss. Ein dampfender Teller würde auf mich warten. Auch meine Mutter würde ich umarmen, ihr einen Kuss geben.“ Vom Prinzip definitiv richtig und mindestens genauso gut, wie in der Vorstellung. Jedoch um einige Stunden nach hinten verschoben. Wenn wir in den Ferien von einem Urlaub nach Hause gekommen sind und sich die schwere Holztür zu unseren vier Wänden sich öffnete, kam mir immer dieser Geruch entgegen. Der Geruch unseres Hauses, den man im Alltag nicht mehr wahrnimmt, nach einer Urlaubsreise halt aber sofort riecht und der einem irgendwie sofort gefällt. Nachdem ich Mama umarmt hatte und auf dem Weg zu meinem Teller mit dem besten Gericht überhaupt war, kam mir dieser Geruch entgegen und er kam mir seltsam fremd vor. Ich hatte ihn irgendwie vergessen. Genauso stark, wie er in Vergessenheit geraten war, liebte ich ihn aber wieder.


 --------> so viel am heutigen Abend, in den kommenden Tagen kommt noch mehr :)



Sonntag, 18. März 2012

...nach einer Ewigkeit... ;)


Meine Lieben,

Schon so, so, so, so lange liegt mein letzter Eintrag zurueck. Ich kann es kaum fassen... Zwischen all dem vielen, was ich in letzter Zeit erlebt habe und diesem virtuellen Ort hier im Internet, liegt immer eine so grosse Entfernung... ABER: Nun habe ich meinen 2. Zwischenbericht fuer meine Organisaiton verfasst; dort ist das wichtigste der letzten Monate grob zusammengefallst. Und das wird ein neuer 2. Anfang fuer mich sein :) Mindestens alle 2 Tage wird aus der momentag schreibfaulen Lena wieder eine berichtende Lena. Ich hoff sehr, dass ihr noch Lust habt mein Geschreibsel zu verfolgen ;)

Liebe Gruesse soweit aus dem soooooooo unglaublich fruehlingshaften Sarajevo,

Eure lena



2. Zwischenbericht nach 6 Monaten in Bosnien-Herzegowina                                                14.03.2011

Drei Monate sind seit dem Verfassen des letzten Berichtes vegangen. Die Ausreise nach Bosnien-Herzegowina liegt schon über sechs Monate zurück.

Ich finde es unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht. Im Vergleich zur Anfangszeit fliegen die Tage und Wochen nur so dahin. Allgemein finde ich das nicht schlecht, weil das ein Zeichen dafür ist, dass ich ausgefüllt lebe und mir mein Leben hier gefällt. Andererseits habe ich manchmal Angst, etwas zu verpassen. Dazu kommt der Gedanke, dass mir hier viele und vieles immer wichtiger wird und dass der Abschied schwerer fallen wird, als vorher gedacht.

Ein wichtiges Ereignis im neuen Jahr 2012 war das Zwischenseminar in Rumänien. Von diesem hatte ich vorher gedacht, dass ich es nicht brauchen würde. Ich fühlte mich wohl hier in Sarajevo, hatte keine konkreten Fragen oder Anliegen und wusste nicht recht, ob die Flugreise nach Sighisoara notwendig sein würde.

In dieser schönen Stadt kamen wir mit 13 anderen Freiwilligen, größtenteils der Organisation Sofia e.V., zusammen. Zunächst war es schwierig, mich in diese Gruppe einzugliedern, da alle ja derselben Entsendeorganisation angehören und sich so kannten. Doch bald wurde es besser: Das besagte Eingliedern klappte immer besser und das Programm stellte sich als interessant und hilfreich heraus. Etwas, was besonders gut tat, war das Reden mit den anderen Freiwilligen. Wir arbeiten in unterschiedlichen Ländern, fanden aber heraus, dass unsere positiven Erfahrungen und Probleme meist die gleichen oder zumindest sehr ähnlich sind. Durch dieses Reflektieren und Nachdenken wurde mir viel Gutes bewusst, ich lernte vieles neu zu schätzen. Genauso sehr fielen mir verbesserungswürdige Aspekte auf. Insgesamt tat mir das Zwischenseminar in Rumänien sehr gut. Zum einen lernte ich interessante und nette Leute und ihre Situationen kennen. Zum anderen lernte ich aber noch einmal viel über mich und sah meinen Dienst noch mal mit anderen Augen. Im Gepäck zurück nach Sarajevo hatte ich einige neue Ideen.

Eine dieser bezieht sich auf die Arbeit in der Behindertenschule. Dort sind meine Kenntnisse und Fähigkeiten beim Fußball ja hilfreich und in der Sporthalle mit den älteren Schülern anwendbar. Seit längerer Zeit war mir schon aufgefallen, dass die Kinder die Fußballregeln sehr gut kennen, jedoch kein Interesse haben, sich an diese zu halten. Von fair play ganz zu schweigen. So beschloss ich, meine Aktivität auszuweiten und nicht nur mit ihnen zu spielen, sondern als Schiedsrichterin das Spiel zu leiten. Dabei ist mein Plan, ihnen die Regeln nicht bloß „einzutrichtern“, sondern zu versuchen, ihnen zu zeigen, dass fair play etwas sehr gutes ist. An meinem ersten Arbeitstag nach dem Zwischenseminar sprach ich mit meiner Kollegin darüber. Es stellte sich heraus, dass sie eine ganz ähnliche Idee gehabt hatte. So nehme ich jetzt jeden Mittwoch und Freitag eine von den Kindern gebastelte gelbe und rote Karte mit in die Sporthalle. In den letzten Wochen ist mir dazu besonders aufgefallen, dass die Kinder nicht verlieren können. Nach einem solchen Spiel werden sie aggressiv, schießen alle Bälle durch die Halle, schreien, weinen und beschimpfen ihren Mitspieler. So habe ich die Idee insoweit ausgeweitet, als dass ich ein großes Papier besorgen werde, an jedem „Fußballtag“ das jeweilige Datum notiere und die Kinder für jeden Sieg das Wappen ihres Lieblingsfußballvereins aufkleben können. So möchte ich erreichen, dass die Kinder ihre Erfolge sehen und bei einer Niederlage ihre Stärken nicht aus den Augen verlieren.

Mit der Umsetzung der Idee geht es mir sehr gut. Natürlich gefällt es den Kindern nicht immer, dass da jemand ist, der unparteiisch ist und die Regeln anwendet. Oft gibt es aber Situationen, in denen die Kinder zeigen, dass sie die Regeln akzeptieren und auch einsehen, dass sie etwas Falsches getan haben. Das tut gut, denn ich merke, dass ich eigene Akzente setzen kann. Im Vergleich zu den ersten drei Monaten geht es mir in der Behindertenschule viel besser.

Das hat aber auch den Grund, dass ich seit 1,5 Wochen nur noch dort arbeite. Ursprünglich war geplant, dass Charlotte und ich nur getrennt arbeiten. Das hätte geheißen, dass sie eine Woche im Kinderheim arbeitet, während ich in der Behindertenschule arbeite. Nach eine Woche hätten wir dann getauscht. Auf diese Weise wäre es dann weitergegangen. Allerdings konnte dies nicht so in die Tat umgesetzt werden, denn meine Kollegin der Behindertenschule sah die Änderung nicht als etwas an, was den Kindern helfen würde. In der Woche, in der Charlotte dort arbeiten würde, würden sich die Kinder an sie gewöhnen. Nach vier bis fünf Tagen, so lang, wie das Gewöhnen dauern würde, wäre Charlotte für eine Woche wieder weg. In dieser wäre ich dann ein fremdes Gesicht für die Kinder. Sie würden sich an mich gewöhnen, hätten Charlotte dann aber wieder vergessen. So würde es dann weitergehen. Infolgedessen wurde entschieden, dass ich die Woche über (außer am Dienstag) nur noch in der Schule arbeiten würde. Diese Nachricht schockte mich. In den 6 Monaten hatte ich die Kinder des Kinderheims in mein Herz geschlossen und konnte mir nicht so recht vorstellen, nicht mehr mit ihnen zu arbeiten. Dies hatte mir immer mehr als die Arbeit in der Behindertenschule gefallen. Ein Grund dafür war, dass dort die Zeit einfach viel langsamer verging. Vor einer Woche änderte sich das aber rasant. Es fällt mir nicht leicht zu beschreiben, was genau passierte. Vielleicht kann ich es damit beschreiben, dass ich eine andere Beziehung zu den Kindern habe. Sie kennen alle, ohne Ausnahme, meinen Namen. Sie sind viel offener und ich gehe anders mit ihnen um. Ein Mädchen ist besonders für mich. Im ersten Bericht beschrieb ich sie bereits und erwähnte, dass ich sehr oft auf sie aufpassen muss. Die anfänglich überfordernde Aufgabe gefällt mir jetzt sehr. Jeden Tag, an dem ich etwas mit ihr mache, versuche ich auf sie einzugehen und sie zu fordern und zu fördern. Dies mache ich so gerne und mir liegt es sehr am Herzen, vor allem, weil ich merke, wie unbeliebt dieses Mädchen ist und wie oft sie von meinen Kollegen aufgefordert wird, sich einfach nur hinzusetzen. Ich merke, dass diese dem Mädchen so gut wie nichts zutrauen. Wenn dieses Mädchen redet, verstehe ich so gut wie nie etwas, weil sie sehr oft sehr stark lallt. Bisher hatte ich immer nur „ručak“ ( = Mittagessen) verstanden. Als es bei einem solchen letzte Woche Bananen als Nachtisch, saß ich mit ihr an einem Tisch und hielt ihre Banane in Händen. Sie schaute mich mit großen Augen an und wollte ihren Nachtisch haben. Ich sagte zu ihr, dass sie mir sagen solle, was das für eine Frucht ist; dann könne sie den Nachtisch essen. Und sie sagte tatsächlich „banana“. Danach konnte ich sie noch dazu bringen, die Bananenschale in den Mülleimer zu bringen. Eigentlich überrascht sie mich jeden Tag. Heute kam sie in den Raum, sah sich um und hang eine herumliegende Jacke an die Garderobe. Später spitzte ich Stifte an, sie setzte sich zu mir und wollte alleine einige Stifte anspitzen. Das klingt so an sich vielleicht nicht so spannend und besonders. Aber jedes Mal bewegt mich das sehr und ich fühle mich unglaublich glücklich. Durch die veränderte Situation in der Schule erlebte ich viele schöne Momente, ich erfuhr viele gute Reaktionen der Kinder und das alles führte dazu , dass ich Sonderpädagogik studieren möchte.

Insgesamt ist die veränderte Arbeitssituation, so denke ich, das beste was mir passieren konnte. Im privaten Bereich ist nun eine Tandem-Partnerin in mein Umfeld dazugekommen. Nachdem im Dezember der Sprachunterricht ausgelaufen war, beschloss ich (auch auf dem Zwischenseminar), mir eine bosnische Partnerin / einen bosnischen Partner zu suchen, um ein Sprachtandem zu bilden. Die Person würde mir Kroatisch beibringen, ich ihr Deutsch. Und so ist es dann auch gekommen: Lucija suchte mir eine solche Person, und so traf ich mich vor gut zwei Wochen mit Milica. Ich bin sehr froh, sie kennengelernt zu haben. Zum einen wird es mit dem Kroatisch jetzt weitergehen, und zum anderen tut es meinem Sozialleben sehr gut. Ich freue mich sehr darauf, durch sie weitere Bosnier kennenzulernen.

Insgesamt kann dieser Bericht positiv abgeschlossen werden. Sowohl im Bereich der Arbeit, als auch in meinem Privatleben bin ich glücklich. Manches hat sich gut entwickelt und mein Leben auf diese Weise verbessert. Das macht mich sehr froh und lässt mich positiv in die Zukunft blicken, für die ich plane, meine Kontakte zu den Bosniern zu intensivieren und auf der Arbeit weiter sehr aktiv zu handeln.   



                              

Dienstag, 29. November 2011

26.10.2011 (Mittwoch), über den 25.10.2011 (Dienstag)


Oha, oha, oha.
Grade eben habe ich eine Rundmail einer Freundin gelesen, die für ein Jahr in Peru ist. Ich weiß nicht, ob ich das vielleicht nicht hätte tun sollen.
Eine neue Kultur, die WIRKLICH ganz anders ist, als die deutsche. Viele neue Eindrücke, Menschen, Erlebnisse, eine tolle Natur.

Nun, aber erst noch über den Dienstag:
Bei der wöchentlichen Austauschrunde erfuhren wir, dass wir am 2. und 4. Wochenende im November an zwei Animateurtreffen teilnehmen würden. Es gab eine kleine, unnötige Diskussion, an welchen Daten diese Wochenenden denn dann liegen würden. Nach einem intensiven Blick in einen Kalender war das Thema dann vom Tisch.
Tisch. Ein gutes Thema.
Dort saßen wir bei der Zeitung, und tüteten wie immer die 1000 Zeitschriften ein. Wie langsam die Zeit verging! Der Stapel wollte einfach nicht kleiner werden, während unsere Finger immer mehr schmerzten und sich immer dunkler von der Druckerschwärze färbten. Vielleicht lag das daran, dass wir schon länger nicht mehr dort gewesen waren und wir die Arbeit schlicht nicht mehr gewohnt waren.
Nach Feierabend nutzte ich das freie WI-FI-Netz eines Restaurants zum Surfen. Um dort nicht schief angeguckt zu werden, bestellte ich mir einen Saison-Salat. Vor Augen hatte ich einen wunderbaren Salat. Oliven. Große Salatblätter. Käse. Tomaten. Gurken. Schafskäse. Rucola. Tolle Gewürze.
Auf meinem Tisch standen dann Tomaten und Gurken. Jeweils circa 5 Scheiben. Auf vier Stellen des Tellers war Schnittlauch gestreut worden. Gewürze, Öl und Essig musste man selber hinzufügen. Das erklärte dann den Preis von umgerechnet einem Euro fünfzig.
Nachdem Lotte in ihren Taschen noch gerade genug Geld für eine Fahrt mit dem Linienbus auftreiben konnte, ich den Weg zur Tram wegen Geldmangels zu Fuß zurücklegen musste und dies in einer erstaunlichen Zeit schaffte, kamen wir gleichzeitig, und nur um gute drei Minuten verspätet, am Abend in Stub an.
Es ging los. Während sich Lotte und Monika (die uns unterstützende Bosnierin) mit der kleinen Gruppe beschäftigten, besprach ich mit der großen Gruppe zunächst die Hausaufgaben (es war kein großes Interesse zu verzeichnen), bevor die Zeit für meine bemalten Zettel gekommen war. Zu ihnen fiel den Kindern / Jugendlichen die erwünschten Verben ein und das Sätzebilden klappte auch ganz gut.
Es ist echt ungemein schwierig als praktisch unerfahrene „Kursleiterin“ vor circa 30 jungen Leuten zu stehen, ihre Freude an deutschen unregelmäßigen Verben und komplizierten Artikeln zu wecken, während das eigene Handy oder das andere Geschlecht praktisch uneinholbares Interesse hervorruft. Aber gleichzeitig macht es mir dann doch auch Spaß. Es immer ein interessanter Moment, wenn ein Jugendlicher dort bemerkt, dass 45-minütiges Mitmachen keinesfalls die eigene Coolheit mindert und dass die Spiele der deutschen Lena auch mal Spaß machen können.
Den Rückweg traten wir dann mit Monika an. Gemeinsam warteten wir auf die Straßenbahn und stiegen, obwohl wir nicht in ihre Richtung fahren mussten, auch zusammen ein.
Denn Monika hatte uns zu sich nach Hause eingeladen. Klar, warum nicht? Total nett von ihr!
All das, was ich in der Dunkelheit von ihrem Wohnviertel erkennen konnte, sah schön aus. Da ich kein großer Fan von Dunkelheit bin, war ich froh, an ihrem Haus anzukommen. Ihr sehr großer Hund kam bellend angelaufen. Trotz seiner Größe und Aussehens ein echt lieber!
Wir saßen dann im Wohnzimmer und unterhielten uns über alles Mögliche. Wie lustig es war! Bald kam auch Monikas Schwester dazu. Auch sehr nett! Für ein Jahr war sie in Hardehausen gewesen und kann so noch gut Deutsch. Im Moment bereitet sie sich auf einen wichtigen Deutschtest vor, der ihr ermöglichen wird, in Wien zu studieren. Ich werde ihr die Daumen drücken! (Das Übungsbuch ist ziemlich krass!)

24.10.2011


Frei, frei, frei!
Diesen Tag musste ich nutzen, um Familie Mujo zu besuchen! Da am vorigen Tag die geschlossenen Einkaufsläden mir ihr Babyklamottensortiment leider nicht zur Verfügung gestellt hatten, machte ich mich noch einmal auf den Weg. Es sollte etwas kleines werden; eine Mütze oder Handschuhe.
Als ich heute Morgen fertig war, machte ich mich also auf den Weg durch unsere Straße. Als weiteres kleines Mitbringsel hätte ich ein paar Fotos toll gefunden; ein paar Schnappschüsse des Tages, als Mama und ich sie besucht hatten. Perfekt vorbereitet, mit den Fotos auf meinem Stick, kam ich in den Fotoladen neben unserem Hauseingang.
Der Mann erkannte mich, und musste mir dann traurig sagen, dass ich erst um 13 Uhr wiederkommen könne, da er gerade einen großen Auftrag bearbeiten musste. Das hörte und sah ich dann an der laut rappelnden Fotodruck-Maschine. Schade, dass ich keine Fotos mitnehmen konnte, aber da war wohl nichts zu machen.
Da bei der letzten Begegnung mit Mujos Familie die Kommunikation, aufgrund von sich nicht überschneidenden Sprachkenntnissen eher umständlich abgelaufen war, war ich trotz einer Vermutung nicht sicher, ob sie im Februar ein Mädchen bekommen hatte.
So hatte ich mich entschlossen, etwas universales, eher etwas jungenhaftes, zu kaufen. Die könnte ein Mädchen ja auch tragen; andersherum wäre das schon schwieriger.
Zum Glück sprach die Verkäuferin gut Englisch. So konnte ich ihr erklären, was ich suchte, was nicht und vor allem, wie alt das Kind ist.
Und da im Regal hing das perfekt Stück: eine blau-grün gestreifte Mütze. Zwar nicht allzu günstig für eine Babymütze, aber es war mit das Nützlichste und Kleinste im Laden gewesen. Nur leider erstickte die Verkäuferin dann all meine Freude im Keim: Die Mütze sei zu klein für ein Kind von circa acht Monaten. So suchte ich dann weiter, und entschied mich dann für ein schlichtes blaues Sweatshirt-artiges Oberteil. Weiter ging es dann im Supermarkt weiter unten an der Straße, wo ich noch zwei Breigläser und Bonbons kaufte. Und schon konnte es zur Bushaltestelle gehen.
Sehr bald klopfte ich an die (wir mir auffiel neue) Tür von Mujos Haus. Letzterer öffnete mir auch. Und sein Gesicht verzog sich zu einem breiten Lächeln. Er sagte Etwas auf Kroatisch zu mir, ich verstand es leider nicht, erahnte aber, dass er mir klar machen wollte, dass nur er zu Hause sei.
Gerade als ich die Schuhe abgestreift hatte, kam seine zweite Tochter um die Ecke. Man könnte meinen, das Grinsen liegt in der Familie, denn auch sie lächelte breit als sie mich sah und umarmte mich beherzt!
Im warmen Wohnzimmer begann dann eine einfache Unterhaltung. Ich versuchte möglichst viel Kroatisch / Bosnisch anzuwenden. Und das schien sie echt zu freuen! Wahrscheinlich waren sie zudem vom Kontrast zwischen meinen damaligen „Kroatischkenntnissen“ und meinen jetzigen minimalen Grundkenntnissen überrascht.
Sie brühten mir einen Tee auf, erzählten mir über ihre Nichte / Enkelin (meine Vermutung war dann doch richtig gewesen) und zeigten mir viele Fotos (echt sehr süß das Baby!!!). So erfuhr ich, dass die Kleine an diesem Tag nicht zu Hause war, und meine herausgehört zu haben, dass sie bei ihrem Vater war. 8 Monate ist sie nun alt!
Der erste Sohn der Familie kam auch dazu. Er ließ sich aufs Sofa fallen, grinste mich an und schaute dann Fernsehen.
Als mir dann einfach nichts mehr einfiel, was ich mit den Dreien reden könnte, war es ein wenig still um den Wohnzimmertisch. Ich schlürfte meinen Tee und bestaunte die Wallnüsse, die mir Mujos Tochter in meiner Plastiktüte geschenkt hatte. Ebenfalls schenkte sie mir ein Foto ihrer Nichte. Mensch, ich fand das war eine tolle Geste!
Als ich ungefähr eine Dreiviertelstunde da gewesen war, sagte ich, dass ich mich auf den Heimweg machen würde. Ich schlüpfte grade in meine Treter, als die Mutter der Familie hereinkam. Wow, wie schön es war, sie zu sehen. Mit ihr unterhielt ich mich auch kurz und versuchte ihr zu erklären, warum und wie lange ich hier bin, dass meine Eltern in Deutschland sind und dass ich sie zu Weihnachten wiedersehe. Beim Abschied herzte sie mich dann sehr, und sagte „Vidimo se sutra!“. Nun, ich weiß nicht, ob sie verstanden haben, dass wir uns am nächsten Tag nicht sehen würden (da war ihre Enkelin wieder da), aber es war echt toll, sie lachen zu sehen. Ich bekräftigte „Vidimo se!“ und machte mich dann auf zur Bushaltestelle.
Was war dort angesagt? Ja, genau. Warten.
Nach einer Kleinbusfahrt an der Hauptbushaltestelle angekommen, begann dann das extreme Warten.
Total hungrig kam ich in Sarajevo an. Diesem Gefühl ging ich nach, stillte es und erfreute mich dann an den Stufen hoch zur kath. Schule, denn viele kroatische Verben, Substantive, Konjugationen, Deklinationen und unsere Lehrerin warteten auf mich / uns.
Der Tag kam mir irgendwie komisch. Kein richtiger Alltag, und trotzdem sehr stressig. Ich fühlte mich auf eine Art nicht vollkommen. Abends bereitete ich noch den Deutschkurs für den nächsten Tag vor; malte kleine Bilder, zu denen den Kindern dann ein Verb einfallen sollte. Und es stand noch so viel an ich hätte noch so viel machen können. Aber ich schaffte es einfach nicht; die Woche ist teilweise einfach so, so, so voll und ich komme nur zu wenig.

23.10.2011


Wie viel österreichischer Flair in Sarajevo steckt, das wurde uns noch einmal an diesem Sonntag bewusst.
Das Café, parallel zur Hauptbummelstraße Sarajevos gelegen, hätte auch zwei Straßen hinter der Wienerischen Karlskirche zu finden sein koennen: viele Verzierungen, Teppiche, antike Möbel, gemütliche Sessel. In denen versanken wir praktisch und wurden wir  mit warmem Kakao  und heißem Kaffee verwöhnt. Bei den wohltuenden Getränken quatschten Lotte und ich mit Herrn Wacker und Clemens Reit, die uns in das traditionelle Café einluden.
Am vergangenen Samstag für diesen Tag verabredet,  wollten wir die letzten Stunden ihres Aufenthaltes hier zusammen verbringen und über die jetzige Situation, unseren Alltag, unsere bisherigen Erfahrungen und einiges mehr reden. So habe ich die Zeit noch einmal reflektiert. Mir ist aufgefallen, dass ich selber relativ wenig über all das nachgedacht habe und mir Gedanken gemacht habe. Tat gut mal wieder andere Meinungen zu hören, sich auszutauschen und einfach zu reden.
Nach circa zwei Stunden stand dann der Abschied an, und bald waren Lotte und ich wieder alleine durch die Straßen der bosnischen Hauptstadt unterwegs.
Wieder in Dobrinja angekommen, stiegen Lotte und ich zusammen die Stufen zu unserer Wohnung hoch; ich kurz darauf wieder herunter, um Babyanziehsachen für Mujos Familie zu kaufen, dich ich morgen endlich mal besuchen will (eine Familie, die ich letztes Jahr im Camp kennenlernte. Mit meiner Baugruppe war ich bei ihnen gewesen und wir hatten ihre, man kann sagen Hütte, renoviert. Anfang dieses Jahres besuchte ich sie mit Mama bei unserem Kurzurlaub und wir fanden heraus, dass die älteste Tochter schwanger war).

22.10.2011


Um 13:30 Uhr ging es los.
Nur leider schaffte ich es nicht rechtzeitig, da ich ein Geschenk für meine Oma definitiv noch zu Ende basteln musste.
Bald war alles geschafft, und ich konnte mich mit einem sehr guten Gefühl auf zum Jugendhaus machen. Das wurde aber auch Zeit, denn es war schon kurz nach halb vier.
Denn dort an der Baustelle wurde an diesem Tag der Grundstein für das neue Jugendhaus gelegt. Es würde ein richtiges Fest werden, denn die Menschen hatten so lange auf diesen Tag gewartet. Über zehn Jahre!
Als ich ankam bemerkte ich, dass auch Herr Wacker gerade angekommen war. Er betrat die Baustelle gerade und begrüßte die ersten Leute. So auch Lotte, zu der ich unterwegs war. Auf dem Weg dahin packte Ivana Klacar (eine Mitarbeiterin des Jugendhauses) mich, denn ich sollte während der Messe ein Buch zum Kardinal bringen. Alles klar, mache ich, nema problema! Dann war ich auch schon bei Lotte und begrüßte Herrn Wacker mit einer Umarmung. Es war echt toll ihn zu sehen!
Dann ging auch bald die Messe los, von der ich unglaublich viel verstand. Nein. Nur Sachen, wie z.B. die Wandlung und die Abschlussworte. Den Weg zum Kardinal mit dem Buch in meinen Händen meisterte ich ohne Zwischenfälle. Genauso, wie das Überreichen und das Zurückgehen zu meinen Platz. Ivana zeigte mir mit ihrem Daumen, dass ich meine Aufgabe meisterhaft erledigt hatte. Sie ist so verrückt ;-)
Mit Herrn Wacker und seinem Begleiter Clemens Reit verabredeten wir uns für den kommenden Tag auf einen Kaffee.