Sonntag, 18. März 2012

...nach einer Ewigkeit... ;)


Meine Lieben,

Schon so, so, so, so lange liegt mein letzter Eintrag zurueck. Ich kann es kaum fassen... Zwischen all dem vielen, was ich in letzter Zeit erlebt habe und diesem virtuellen Ort hier im Internet, liegt immer eine so grosse Entfernung... ABER: Nun habe ich meinen 2. Zwischenbericht fuer meine Organisaiton verfasst; dort ist das wichtigste der letzten Monate grob zusammengefallst. Und das wird ein neuer 2. Anfang fuer mich sein :) Mindestens alle 2 Tage wird aus der momentag schreibfaulen Lena wieder eine berichtende Lena. Ich hoff sehr, dass ihr noch Lust habt mein Geschreibsel zu verfolgen ;)

Liebe Gruesse soweit aus dem soooooooo unglaublich fruehlingshaften Sarajevo,

Eure lena



2. Zwischenbericht nach 6 Monaten in Bosnien-Herzegowina                                                14.03.2011

Drei Monate sind seit dem Verfassen des letzten Berichtes vegangen. Die Ausreise nach Bosnien-Herzegowina liegt schon über sechs Monate zurück.

Ich finde es unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht. Im Vergleich zur Anfangszeit fliegen die Tage und Wochen nur so dahin. Allgemein finde ich das nicht schlecht, weil das ein Zeichen dafür ist, dass ich ausgefüllt lebe und mir mein Leben hier gefällt. Andererseits habe ich manchmal Angst, etwas zu verpassen. Dazu kommt der Gedanke, dass mir hier viele und vieles immer wichtiger wird und dass der Abschied schwerer fallen wird, als vorher gedacht.

Ein wichtiges Ereignis im neuen Jahr 2012 war das Zwischenseminar in Rumänien. Von diesem hatte ich vorher gedacht, dass ich es nicht brauchen würde. Ich fühlte mich wohl hier in Sarajevo, hatte keine konkreten Fragen oder Anliegen und wusste nicht recht, ob die Flugreise nach Sighisoara notwendig sein würde.

In dieser schönen Stadt kamen wir mit 13 anderen Freiwilligen, größtenteils der Organisation Sofia e.V., zusammen. Zunächst war es schwierig, mich in diese Gruppe einzugliedern, da alle ja derselben Entsendeorganisation angehören und sich so kannten. Doch bald wurde es besser: Das besagte Eingliedern klappte immer besser und das Programm stellte sich als interessant und hilfreich heraus. Etwas, was besonders gut tat, war das Reden mit den anderen Freiwilligen. Wir arbeiten in unterschiedlichen Ländern, fanden aber heraus, dass unsere positiven Erfahrungen und Probleme meist die gleichen oder zumindest sehr ähnlich sind. Durch dieses Reflektieren und Nachdenken wurde mir viel Gutes bewusst, ich lernte vieles neu zu schätzen. Genauso sehr fielen mir verbesserungswürdige Aspekte auf. Insgesamt tat mir das Zwischenseminar in Rumänien sehr gut. Zum einen lernte ich interessante und nette Leute und ihre Situationen kennen. Zum anderen lernte ich aber noch einmal viel über mich und sah meinen Dienst noch mal mit anderen Augen. Im Gepäck zurück nach Sarajevo hatte ich einige neue Ideen.

Eine dieser bezieht sich auf die Arbeit in der Behindertenschule. Dort sind meine Kenntnisse und Fähigkeiten beim Fußball ja hilfreich und in der Sporthalle mit den älteren Schülern anwendbar. Seit längerer Zeit war mir schon aufgefallen, dass die Kinder die Fußballregeln sehr gut kennen, jedoch kein Interesse haben, sich an diese zu halten. Von fair play ganz zu schweigen. So beschloss ich, meine Aktivität auszuweiten und nicht nur mit ihnen zu spielen, sondern als Schiedsrichterin das Spiel zu leiten. Dabei ist mein Plan, ihnen die Regeln nicht bloß „einzutrichtern“, sondern zu versuchen, ihnen zu zeigen, dass fair play etwas sehr gutes ist. An meinem ersten Arbeitstag nach dem Zwischenseminar sprach ich mit meiner Kollegin darüber. Es stellte sich heraus, dass sie eine ganz ähnliche Idee gehabt hatte. So nehme ich jetzt jeden Mittwoch und Freitag eine von den Kindern gebastelte gelbe und rote Karte mit in die Sporthalle. In den letzten Wochen ist mir dazu besonders aufgefallen, dass die Kinder nicht verlieren können. Nach einem solchen Spiel werden sie aggressiv, schießen alle Bälle durch die Halle, schreien, weinen und beschimpfen ihren Mitspieler. So habe ich die Idee insoweit ausgeweitet, als dass ich ein großes Papier besorgen werde, an jedem „Fußballtag“ das jeweilige Datum notiere und die Kinder für jeden Sieg das Wappen ihres Lieblingsfußballvereins aufkleben können. So möchte ich erreichen, dass die Kinder ihre Erfolge sehen und bei einer Niederlage ihre Stärken nicht aus den Augen verlieren.

Mit der Umsetzung der Idee geht es mir sehr gut. Natürlich gefällt es den Kindern nicht immer, dass da jemand ist, der unparteiisch ist und die Regeln anwendet. Oft gibt es aber Situationen, in denen die Kinder zeigen, dass sie die Regeln akzeptieren und auch einsehen, dass sie etwas Falsches getan haben. Das tut gut, denn ich merke, dass ich eigene Akzente setzen kann. Im Vergleich zu den ersten drei Monaten geht es mir in der Behindertenschule viel besser.

Das hat aber auch den Grund, dass ich seit 1,5 Wochen nur noch dort arbeite. Ursprünglich war geplant, dass Charlotte und ich nur getrennt arbeiten. Das hätte geheißen, dass sie eine Woche im Kinderheim arbeitet, während ich in der Behindertenschule arbeite. Nach eine Woche hätten wir dann getauscht. Auf diese Weise wäre es dann weitergegangen. Allerdings konnte dies nicht so in die Tat umgesetzt werden, denn meine Kollegin der Behindertenschule sah die Änderung nicht als etwas an, was den Kindern helfen würde. In der Woche, in der Charlotte dort arbeiten würde, würden sich die Kinder an sie gewöhnen. Nach vier bis fünf Tagen, so lang, wie das Gewöhnen dauern würde, wäre Charlotte für eine Woche wieder weg. In dieser wäre ich dann ein fremdes Gesicht für die Kinder. Sie würden sich an mich gewöhnen, hätten Charlotte dann aber wieder vergessen. So würde es dann weitergehen. Infolgedessen wurde entschieden, dass ich die Woche über (außer am Dienstag) nur noch in der Schule arbeiten würde. Diese Nachricht schockte mich. In den 6 Monaten hatte ich die Kinder des Kinderheims in mein Herz geschlossen und konnte mir nicht so recht vorstellen, nicht mehr mit ihnen zu arbeiten. Dies hatte mir immer mehr als die Arbeit in der Behindertenschule gefallen. Ein Grund dafür war, dass dort die Zeit einfach viel langsamer verging. Vor einer Woche änderte sich das aber rasant. Es fällt mir nicht leicht zu beschreiben, was genau passierte. Vielleicht kann ich es damit beschreiben, dass ich eine andere Beziehung zu den Kindern habe. Sie kennen alle, ohne Ausnahme, meinen Namen. Sie sind viel offener und ich gehe anders mit ihnen um. Ein Mädchen ist besonders für mich. Im ersten Bericht beschrieb ich sie bereits und erwähnte, dass ich sehr oft auf sie aufpassen muss. Die anfänglich überfordernde Aufgabe gefällt mir jetzt sehr. Jeden Tag, an dem ich etwas mit ihr mache, versuche ich auf sie einzugehen und sie zu fordern und zu fördern. Dies mache ich so gerne und mir liegt es sehr am Herzen, vor allem, weil ich merke, wie unbeliebt dieses Mädchen ist und wie oft sie von meinen Kollegen aufgefordert wird, sich einfach nur hinzusetzen. Ich merke, dass diese dem Mädchen so gut wie nichts zutrauen. Wenn dieses Mädchen redet, verstehe ich so gut wie nie etwas, weil sie sehr oft sehr stark lallt. Bisher hatte ich immer nur „ručak“ ( = Mittagessen) verstanden. Als es bei einem solchen letzte Woche Bananen als Nachtisch, saß ich mit ihr an einem Tisch und hielt ihre Banane in Händen. Sie schaute mich mit großen Augen an und wollte ihren Nachtisch haben. Ich sagte zu ihr, dass sie mir sagen solle, was das für eine Frucht ist; dann könne sie den Nachtisch essen. Und sie sagte tatsächlich „banana“. Danach konnte ich sie noch dazu bringen, die Bananenschale in den Mülleimer zu bringen. Eigentlich überrascht sie mich jeden Tag. Heute kam sie in den Raum, sah sich um und hang eine herumliegende Jacke an die Garderobe. Später spitzte ich Stifte an, sie setzte sich zu mir und wollte alleine einige Stifte anspitzen. Das klingt so an sich vielleicht nicht so spannend und besonders. Aber jedes Mal bewegt mich das sehr und ich fühle mich unglaublich glücklich. Durch die veränderte Situation in der Schule erlebte ich viele schöne Momente, ich erfuhr viele gute Reaktionen der Kinder und das alles führte dazu , dass ich Sonderpädagogik studieren möchte.

Insgesamt ist die veränderte Arbeitssituation, so denke ich, das beste was mir passieren konnte. Im privaten Bereich ist nun eine Tandem-Partnerin in mein Umfeld dazugekommen. Nachdem im Dezember der Sprachunterricht ausgelaufen war, beschloss ich (auch auf dem Zwischenseminar), mir eine bosnische Partnerin / einen bosnischen Partner zu suchen, um ein Sprachtandem zu bilden. Die Person würde mir Kroatisch beibringen, ich ihr Deutsch. Und so ist es dann auch gekommen: Lucija suchte mir eine solche Person, und so traf ich mich vor gut zwei Wochen mit Milica. Ich bin sehr froh, sie kennengelernt zu haben. Zum einen wird es mit dem Kroatisch jetzt weitergehen, und zum anderen tut es meinem Sozialleben sehr gut. Ich freue mich sehr darauf, durch sie weitere Bosnier kennenzulernen.

Insgesamt kann dieser Bericht positiv abgeschlossen werden. Sowohl im Bereich der Arbeit, als auch in meinem Privatleben bin ich glücklich. Manches hat sich gut entwickelt und mein Leben auf diese Weise verbessert. Das macht mich sehr froh und lässt mich positiv in die Zukunft blicken, für die ich plane, meine Kontakte zu den Bosniern zu intensivieren und auf der Arbeit weiter sehr aktiv zu handeln.   



                              

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